Hurra, wir leben noch
klarer Himmel … Schon hell … Auf der Gegenbahn sehe ich einen Interzo … zonenbus … Zum erstenmal nach zehn Mo … Monaten fährt er wieder in den We … Westen … Da … Darf er wieder fahren. An den K … Kühler geheftet ein Schild, da … darauf steht … steht … ›HURRA, WIR LEBEN NOCH!‹ ; steht darauf … und da … daneben … ich kann nicht … ka … kann nicht … Zwei Mädchen knu … knutschen … m … mich ab … Da … Das wird ein Tag werden heute, Allmächtiger …«
Vor dem Schöneberger Rathaus feierten sie dann alle: die Militärgouverneure, die Kommandeure der amerikanischen, britischen, französischen Truppenteile, die Delegation des Bonner ›Parlamentarischen Rates‹. Schreiber kam nicht einmal richtig zum Saufen, soviel hatte er zu tun. Und Senkmann wurden die Kameras heiß. Weiter ging’s drinnen im festlich geschmückten Saal des Stadtparlaments. Hier dankte das offizielle Berlin dem in wenigen Tagen scheidenden General Clay, dem Schöpfer der ›Luftbrücke‹.
Dann wurden wieder Reden gehalten – drinnen. Draußen standen Tausende von Berlinern und vernahmen, über Lautsprecher, gerührt und verlegen, das Lob, das man ihnen allen spendete.
Festessen. Weitere Toasts.
Am Nachmittag verstopften Hunderttausende dann die Straßen rings um das Schöneberger Rathaus. Viele waren auf Bäume und Dächer geklettert, um die Männer zu sehen, die zu ihnen sprachen, zum Beispiel Konrad Adenauer und Carlo Schmid.
Die Berliner hörten den Herren aus dem Westen geduldig zu. Aber dann riefen sie nach ihrem geliebten ›Lieschen‹, der zierlichen Louise Schröder, die als amtierende Oberbürgermeisterin während der Blockade das Herz und das Rückgrat dieser Stadt gewesen war. Und alle jubelten, als ihr ›Lieschen‹ endlich auf den Balkon des Rathauses trat, klein und sehr verlegen …
Und wiederum Toasts! Und Abendessen! Mit noch mehr Toasts! Gegen 22 Uhr konnte Jakob nicht mehr. Er, der in täglichen Freiübungen Gestählte, der nicht zu Besiegende, der allem und jedem Gewachsene, hatte nur noch einen Wunsch: im Bett seines Hotels zu liegen. Er verdrückte sich heimlich, niemand bemerkte es.
Jakob suchte und fand seinen brandneuen Porsche. Jakob kletterte – mühsam – hinter das Steuer. Jakob fuhr, reichlich abenteuerlich, los. Er hatte sich den Weg zum Hotel genau gemerkt. Da kann gar nichts passieren, dachte er, schwer alkoholisiert. Ich finde wieder zurück, klar finde ich.
Nachdem er das eine Stunde lang gedacht und immer wieder neue Straßenecken umkurvt und Kreuzungen überquert hatte, wurde er nachdenklich. So weit ist das doch nicht gewesen? Und die Gegend kommt mir vollkommen fremd vor! Was ist das für ein Tor, durch das ich fahre? Was ist das für eine Riesenstraße? Vielleicht ist es doch besser, ich drehe wieder um …
Bevor es dazu kam, erklang eine Sirene. Jakob stoppte und sah in den Rückspiegel. Mit aufgeblendeten Scheinwerfern kam ihm ein Streifenwagen nachgeschossen. Na schön, dachte Jakob. Mit kreischenden Pneus hielt der Wagen neben seinem. Zwei Volkspolizisten sprangen heraus. Noch schöner, dachte Jakob.
Beide Vopos begannen sofort, ihn anzuschnauzen. Sächsisch. Schöner geht’s nicht, dachte Jakob.
»Steichen Se aus!«
Er stieg aus und schwankte.
»Se sinn ja bedrunken!«
»Tat … tatsächlich, meine Herren?«
»Bedrunken am Steuer! Was is das für ’ne Audonummer?«
»B – 427 654. München.«
»Se gomm’ aus dr
Ameriganischen
Zone?«
»Wenn Sie gestatten.«
»Mann, wissen Se denn nich, wo Se sinn?«
»Leider nicht. Wo bin ich denn?«
»Dief im Demogradschen Segdor!«
»Aha. Vielleicht können Sie mir erklären, wie ich zurückfinde. Ich weiß es nämlich nicht. Ich habe mich verfahren.«
»Das kann jeder sachen! Wer sinn Sie eechentlich? Zeichen Se mal Ihre Babiere.«
Jakob zeigte sie.
Die beiden Vopos studierten sie im Schein einer Taschenlampe lange und verblüfft. Dann flüsterten sie miteinander.
Dann sagte der eine: »Sie heeßen Jagob Formann?«
»Steht in den Papieren, glaube ich.«
»Nicht frech wärn, gelle? Formann … Formann …« Der zweite Vopo holte ein Fahndungsbuch aus dem Streifenwagen und begann zu blättern.
Ich habe eine dramatische Beziehung zu Alkohol, dachte Jakob. Und Alkohol zu mir. Hochdramatisch! Immer, wenn ich besoffen bin, passiert mir was. Manchmal was Gutes, manchmal was Schlimmes. Sehr selten was Gutes. Sehr häufig was Schlimmes. Ich bin eine tragische
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