Hurra, wir leben noch
Sauhund, der auf solch ein Wiedersehen gewartet, gewartet, sicherlich fieberhaft gewartet hat. Um es mir zu geben, um es mir zu zeigen, denkt Jakob und sagt: »Herr von Herresheim …«
»So ist es endlich richtig, Herr Formann!«
»… ich gehe.«
»Tja, ich denke, das wird wohl das beste sein.«
»Aber ich gebe nicht auf, Herresheim! Ich gebe niemals auf! Ich bekomme mein Flaggschiff!
Mit
Hilfe der Bundesregierung! Da können Sie Gift drauf nehmen, Herresheim! Ich werde mich jetzt an die Bundesregierung in Bonn wenden!«
»Das bleibt Ihnen natürlich unbenommen.«
»Bleibt es mir, ja. Ach, und noch etwas, mein lieber Herr von Herresheim …«
»Ja? Was denn?«
»Sie können mich am Arsch lecken, und zwar kreuzweise, da kommen Sie öfter durch die Mitte!«
25
Die Edle wäre in Ohnmacht gefallen ob dieses Betragens ihres Schülers. Auch wir sind entsetzt. So benimmt man sich einfach nicht. Und wenn man sich so benimmt, darf man sich nicht darüber wundern, wenn man daraufhin aufgefordert wird, augenblicks den Raum zu verlassen.
Was Jakob wurde.
Er verließ den Raum, in welchem der Herr Persönliche Referent des Herrn Staatssekretärs Bredendorff arbeitete, knallte ein paar Türen zu, fluchte im Fahrstuhl unmäßig und ertappte sich, als er die Straße betrat, dabei, daß er vor Wut zitterte. Sofort wurde er streng selbstkritisch: Ein Jakob Formann zittert nicht! Auch nicht vor Wut. Das ist unwürdig. Und zudem sinnlos. Geduld, Jakob Formann, sagte Jakob Formann zu sich selbst. Du kriegst dein Schiff, und das Herresheim-Schwein kriegt sein Fett. Es wird eine Weile dauern, aber Sieger wirst zuletzt du sein, Jakob Formann. Das sagt dir Jakob Formann, denn er weiß schon, wie er es richtig anfangen muß. Danach stellte er fest, daß er noch immer vor Wut zitterte. Dagegen mußte man augenblicklich etwas unternehmen!
Schmalzbro …
Nein. Er war zu wütend. Selbst Schmalzbrote halfen da nichts.
Bewegung! Bewegung! Bewegung!
Das wäre jetzt angebracht!
Radfahren!
Ein Rad! Ein Rad! Ein Königreich für ein Rad!
In der Nähe gab es keine Geschäfte, in denen man Fahrräder hätte kaufen können, und dort, wo es solche Geschäfte gab, waren sie schon geschlossen.
Was tun?
Dreizehn Autos sausten an Jakob vorbei. Dann nahte ein Bürger auf einem Rad. Jakob lief ihm buchstäblich in die Speichen. Der Bürger kippte, stand, schrie: »Besoffen, was?«
»Mitnichten, mein Herr. Leihen Sie mir bitte Ihr Rad.«
»Wahnsinnig geworden?«
»Mitnichten, mein Herr.«
Der Bürger wollte sich aufs Fahrrad schwingen und flüchten. Jakob schubste ihn zurück. »Sie wollen es mir nicht leihen? Nur für zwei, drei Stündchen?«
»Nicht für eine Sekunde! Lassen Sie mich los, oder ich schreie!«
»Ich kaufe Ihnen das Rad ab.«
»Ich verkaufe mein Rad nicht! Es ist ein ganz neues Rad, ein gutes Rad.«
»Das sehe ich. Fünfhundert Mark?«
»Nie! Nie! Niemals!«
»Was kostet es, daß Sie sagen, es ist ein altes, schlechtes Rad?«
»Sie sollen mich loslassen, verflucht!«
»Sechshundert?«
»Sie … Sie …«
»Siebenhundert, meinetwegen.«
Jetzt zitterte der Bürger.
Jakob zählte ihm sieben Hundertmarkscheine auf die Hand.
»Das wär’s«, sagte er sodann, schwang sich in den Sattel und radelte davon.
Siebenhundert Piepen sind siebenhundert Piepen! Der Bürger beruhigte sich.
Jakob hatte sich bereits beruhigt.
Regelmäßig und schnell trat er die Pedale, sauste über Kreuzungen, um Ecken, ein friedliches Lächeln im Gesicht, sanft vor sich hin pfeifend. Gott, hatte er sich nach einer Radpartie gesehnt!
Diese Radpartie brachte ihn hinaus zur Elbchaussee und zu jener Luxusvilla, die sich sein Experte in Plastikfragen, der smarte, gutaussehende Dr. Addams Jones im Vertrag ausdrücklich – ebenso wie Diener und Firmenwagen – ausbedungen hatte.
Wenn du schon hier bist, dachte Jakob, kannst du gleich mal sehen, wie es mit den Plastikwerken geht.
Das Parktor stand offen.
(Eingebrochen wurde 1956 in dieser feinen Gegend nicht – das waren noch Zeiten!)
Jakob radelte bis an die Haustür und klingelte.
Der von Jones zur Bedingung gemachte Diener öffnete.
»Tag«, sagte Jakob.
»Guten Tag, mein Herr«, antwortete langsam und feierlich der Diener, und sein Gesicht nahm dabei einen Ausdruck grenzenloser Verachtung und unsäglichen Hochmuts an. »Was wünschen Sie?«
»Ich will mit Doktor Jones sprechen.«
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein.«
»Bedaure, dann ist es nicht möglich …«
»Es wird
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