Hurra, wir leben noch
Meldeamt. Ein magerer Mann in grauem Kittel suchte in Regalen, fand, was er suchte, und sprach zu Jakob: »Da haben wir sie ja schon! Martens, Julia, Graf-Adolf-Straße dreihundertzwölf.«
»Ja, und?«
»Und nichts. Abgemeldet am zwölften August 1955. Verzogen.«
»Wohin?«
»Woher soll ich das wissen, Herr?«
»Na, ich denke, das steht auch da, wenn man sich dann woanders angemeldet hat.«
»Nee, das steht dann nicht da! Nur, daß die Person weg ist. Und zwar weg aus Düsseldorf. Das steht fest. In Düsseldorf ist die Dame nicht mehr! Sonst hätten wir die neue Adresse. In der gleichen Stadt geht das. Aber nicht, wenn sie in eine andere Stadt gezogen ist – oder ins Ausland.«
»Wieso ins Ausland?« fragte Jakob aufgeregt.
»Wieso nicht ins Ausland, Herr? Macht eine Mark, die Auskunft …«
»Aber sie kann doch nicht einfach vom Erdboden verschwunden sein, Theo«, sagte Jakob dann um drei Uhr nachmittag im Café Hemesath.
»Esse jo ooch net, Herr Formann. Die kann öwerall lewe, wat wesse mir? Dat se hee fott es, dat hätt ech dech jliich saje könne, Herr Formann. Nur wohenn, dat nich.«
»Warum ist sie weg?« fragte Jakob und fühlte, wie ihm das Herz weh tat.
»Na, weje der Hochziet, denk ech«, sagte Theo.
»Was für eine Hochzeit?« fragte sein Kriegskamerad Otto Radtke.
»Ihr Freund, de Schauspieler, de Herr Fromm, de hat doch die Edda jeheirat, et es de Tochter vom Direktor Mühsam von de CYRIO -Film – herrje, Herr Formann, wat haste denn da jemacht?«
Jakob hatte, weiß vor Zorn, auf den Tisch schlagen wollen und dabei seine Kaffeetasse getroffen. Der Erfolg war überwältigend. Tasse zerbrochen, Kaffee überallhin verspritzt, Anzug versaut, Hand aufgeschnitten …
Eine Kellnerin verarztete den Wortlosen. Eine andere kehrte die Scherben zusammen und wischte alles trocken. Das dauerte seine Zeit. Nachdem diese Zeit um war, sagte Jakob durch die Zähne: »Der Fromm, der Sauhund, der verfluchte. Prophezeit habe ich es dem Ha … der Julia! Klar ist mir gewesen, daß er sie nur ausnützt, der Schuft. Der Drecksack. Von Julia leben und warten, bis die Edda fünfzehn ist, und sich dann ranmachen an die … Wann war die Hochzeit, Theo?«
»Dat kann ech dech janz jenau saje, Herr Formann. Die wat am veeronzwanzigste August fünfonfuffzich. Ech weiß dat so janz jenau, weil ech am fünfonzwanzigste Geburtstag hab.«
»Herzlichen Glückwunsch. Und?«
»Und, na ja, die Hochziet … Janz fierliche Anjelejenheit! Piekfien! Es jo och ene stadtbekannte Mann, de Herr Direktor Mühsam. Die janz fiene Dösseldorfer Jesellschaft wor do, e Stadtereignis! Fotos on Berechte en de ›Rheinische Post‹ on all dene andere Ziedonge.«
»Da ist die Edda neunzehn gewesen.« Jakob nickte.
»Ja, und der Fromm, der Fromm, wie he dann met de Edda zusamme wor, da es he sofort danach in die Filmfirma vom Direktor Mühsam einjetreten, und da es he immer noch. Jetzt führt er die CYRIO -Film!« Theo räusperte sich. »Na ja, und jliech no de Hochziet, do hät de Frau Martens sech dönn jemacht. Alles öwer en Ajentur afweckele lasse, Wohnungsverkauf, Geschäftsverkauf.«
»Also, dieser Fromm, das ist schon ein Riesenschuft, Jakob, das muß ich ja sagen«, versuchte Otto seinen Chef zu trösten, der völlig erstarrt dasaß. Ach, Hase, Hase, Hase, dachte Jakob. Wie ist das alles schrecklich.
11
Als Jakob dann auch noch mit Theresienkron bei Hörsching nahe Linz in Österreich telefoniert und von einer sehr einsilbigen Frau Pröschl erfahren hatte, daß der Hase nicht da war, seit Jahren nicht, wurde er gefährlich böse.
Jetzt war dieser Fromm fällig! Vergebens flehten Theo und Otto den Jakob an, sich zu beherrschen und einen klaren Kopf zu bewahren. Umsonst malten sie ihm die Folgen eines Skandals aus. Es gelang dem listigen Jakob, den beiden zu entwischen. Im Telefonbuch einer Fernsprechzelle fand er dann, was er suchte:
Fromm, Erich, Filmproduzent, Schadowstraße 241 … 435 34 56 Privat: Cecilien-Allee 432 … 765 45 34
Jakob fuhr mit einem Taxi in die Schadowstraße. Das Büro war sehr groß, sehr gediegen, erweckte einen sehr seriösen Eindruck, und Herr Erich Fromm war nicht anwesend, wie eine Sekretärin (die hat er natürlich auch längst aufs Kreuz gelegt, der liebe Fromm, dachte Jakob) bekanntgab.
Wo denn der Herr Fromm sei?
Noch zu Hause, soviel die Sekretärin wisse.
Also fuhr Jakob mit dem Taxi hinaus zur Cecilien-Allee, den Rhein entlang, vorbei an alten Parks und herrlichen
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