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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Kameras aller Fotografen und Fernsehteams waren jetzt auf dieses Stück Wiese gerichtet, wo langsam, sicher und federnd ein Hubschrauber landete. Der Pilot kletterte ins Freie. Er half einer Dame, die Jakob gut kannte (es handelte sich um die Edle) und einem beleibten Herrn in violettem Gewand, der einen flachen Hut auf dem Kopf trug.
    »Ein Bischof …? Ein hoher Prälat …?« hörte Jakob ringsum flüstern. Der Rotor stand. Plötzlich herrschte Totenstille.
    Der Violette war gekommen.
    Er tat drei unsichere Schritte im blendenden Licht der Scheinwerfer. Dann krachte er auf die Nase.
    Aufschrei!
    Der Violette war über einen kindkopfgroßen Globus aus Marmor gestolpert, der da als besondere Attraktion mitten auf der Wiese stand. Kontinente und Weltmeere waren in diesen Globus gemeißelt, er ruhte auf einem niedrigen Sockel und drehte sich langsam. Zu ihm gehörte ein Läutwerk, das in regelmäßigen Abständen einen Bimmelton hören ließ. Auf den vier Seiten des Sockels stand in vier Sprachen:
    JEDESMAL, WENN DIESE GLOCKE ERTÖNT ,
    WIRD IRGENDWO AUF DIESER WELT
    EIN KIND GEBOREN!
    Dort, wo das auf Russisch stand, war der Violette zu Fall gekommen. Jakob raste über die Wiese. Von allen Seiten eilten Gäste herbei.
    Jakob versuchte den Violetten aufzurichten. Es ging nicht. Er schaffte es – so sportgestählt er auch war – nicht allein. Der Violette war ein sehr korpulenter Herr. Mit Hilfe eines Lords, eines Botschafters und eines Nobelpreisträgers brachte Jakob seinen prominentesten Gast wieder auf die Beine. Er stammelte in Panik: »Hochwürdigste Exzellenz … Exzellenz … Haben Exzellenz sich verletzt? Ich bin untröstlich, Exzellenz! Tut etwas weh? Ist etwas verstaucht? Dieser verfluch … Pardon, dieser dumme Globus! Ich werde sofort einen Arzt …«
    »Das erübrigt sich, mein Sohn«, sprach der Violette und wischte Wiesenerde von der Soutane. »Alles ist in Ordnung.« Er hob die Hand. Jakob neigte sich tief über die Hand, er ging dabei halb in die Knie. Er zitterte vor Aufregung am ganzen Leib, als er stammelte: »Gott zum Gruß, Hochwürdigste Exzellenz, Gott zum Gruß! Ich danke für die unendliche Ehre, die Exzellenz mir mit Ihrem Erscheinen erweisen …«
    Von weitem sah Klaus Mario Schreiber der Akrobatik seines Chefs zu, hielt sich an seinem Whiskyglas fest und murmelte erschüttert: »Ge … gelobt sei Jesus Christus …«

24
    »Herr Jesus, in Demut treten wir in dieses Haus. Laßt mit uns kommen ewiges Glück, göttlichen Segen, lichte Freude, fruchtbare Liebe und immerwährendes Heil …«
    Also sprach der Violette in der Marmorhalle des CHÂTEAU NATASCHA , dieses einzigartigen Bauwerks an der Côte d’Azur, zwischen Menton und Marseille gab es nicht seinesgleichen.
    Vor dem Violetten stand ein mit einer Damastdecke bedeckter Tisch, darauf befanden sich ein Kreuz und zwei Leuchter mit Kerzen, ferner ein Weihwasserkessel. Diese Gegenstände hatte der Violette mit Jakobs ›Mirage‹ aus Rom mitgebracht. Normalerweise, dachte Jakob, ist so ein Violetter immer von einer ganzen Horde Helfern umgeben. Bei mir ist er ganz allein. Nicht mal zwei kleine Minestronen hat er dabei. Alles macht er allein. Eine ganz besondere Ehre für mich. Nun schwenkte der Violette den Kessel, während er salbungsvoll weitersprach …
    »… aller Andrang böser Geister bleibe diesem Orte fern. Engel des Friedens seien zugegen, und alle Zwietracht verlasse dieses Haus …«
    Bei jenen Worten sah Claudia besonders giftig zu Natascha hinüber und murmelte leise ein paar Worte. Die Halle war gestopft voller Gäste. Tausende von Kerzen brannten an riesigen Lüstern. Manche der Großen dieser Erde beteten mit. Am inbrünstigsten betete die kniende Signora Maria Terulli mit, vordem Stripperin Gloria Cadillac, vordem Woditschka Reserl aus Wien-Ottakring.
    »… laß mächtig sein, o Herr, Deinen heiligen Namen über uns und segne unser Tun …«
    Sehr viele, die in der Halle keinen Platz mehr gefunden hatten, standen draußen auf der Terrasse im Freien, manche unten im Park. Es war entsetzlich heiß, nun klickten die Verschlüsse der Fotoapparate, nun surrten die Fernseh-Kameras, nun blendeten Scheinwerfer hier.
    Das Woditschka Reserl ist gutmütig, dachte Jakob. Aber diese Lady Cordine, einstmals Hilde Korn, später dann Laureen Fletcher und weiß Gott wie viele weitere Namen noch, diese damals so gar nicht wölfische Werwölfin, mit der zusammen ich dann den großen Beschiß in Devisen gemacht habe, diese

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