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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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wiederzutreffen, Herr von Herresheim«, sagte er darum, nun fließend (und die Hasenpfote beinahe zerquetschend).
    »Das letzte Mal haben wir uns im …«
    »… Verband Deutscher Unternehmer gesehen.« Der von Herresheim nickte und lächelte. »Ja, lieber Herr Formann. Das ist nun auch schon wieder eine kleine Ewigkeit her.«
    »Eine kleine Ewigkeit, ja«, sagte Jakob, der um jedes Wort ringen mußte. Verflucht, dachte er, so ein Schleimscheißer! Da sitzt er nun, immer weiter die Treppe hinaufgeflogen, dieser Herresschweinehund. Und ich muß das Maul halten und darf das nicht sagen in meiner beschissenen Lage. Was darf ich denn überhaupt sagen? Höchstens – sehr mühsam – das: »Gratuliere, jetzt sind Sie aber wirklich ganz oben!«
    »Mein lieber Herr Formann«, sprach der von Herresheim leutselig, »wo ich bin, da ist immer ganz oben.« Weiß Gott, dachte Jakob, ich habe die ganze Welt besiegt, nur den da nicht! Nur den da nicht! Hasenpfote, hilf! Nein, dachte Jakob, grün vor Wut, da kann wohl auch diese wunderbarste aller Hasenpfoten nicht helfen …
    Der von Herresheim sprach. Jakob hatte die ersten Worte nicht mitbekommen. Jetzt riß er sich zusammen und sah den ehemaligen Wehrwirtschaftsführer an. Die andern sahen Jakob an.
    »… ersuche ich Sie namens der hier versammelten Generalbevollmächtigten der Großbanken, bei denen Sie jeweils Kredite in der Höhe von Hunderten von Millionen aufgenommen haben, in möglichst kurzer Zeit eine konsolidierte Bilanz vorzulegen, in der die neuesten Bilanzen aller Ihrer Unternehmen zusammengefaßt sind.« Herresheim machte eine Pause und ein sehr bedeutendes Gesicht und fuhr dann fort: »Wir erwarten daraus Aufschlüsse über die Abhängigkeit Ihrer Werke von den in Anspruch genommenen Bankkrediten und Ihre Gesamtverschuldung.«
    »Was heißt denn das: in möglichst kurzer Zeit?« Es hat keinen Zweck, dachte Jakob. Du sitzt in der Scheiße. Das weißt du. Und das wissen die Bankleute. Und das Herresschwein. Wer in der Scheiße sitzt, ist besser nicht auch noch frech. Also ruhig, Jakob. Besonnen, Jakob. Liebenswürdig, Jakob. »Ich habe allen Banken, mit denen ich gearbeitet habe, jährlich meine Bilanzen vorgelegt, und alle waren stets außerordentlich zufrieden, Herr von Herresheim. Warum waren sie wohl so außerordentlich zufrieden?« Jakob lächelte jetzt der Reihe nach die Bankenvertreter an, die sein Lächeln allerdings nicht erwiderten. »Weil«, beantwortete Jakob seine Frage selber, »die Banken für das Geld, das sie mir geliehen haben, seit vielen, vielen Jahren ungeheure Summen an Zinsen einstreichen, weil ich einer ihrer größten Kunden bin, weil sie an mir gewiß mehr als an den meisten anderen Unternehmern verdient haben, weil ich für sie ein solch potenter Großkunde bin, daß sie sehr oft gar nicht nach den Bilanzen gefragt oder sie, wenn ich sie ihnen zuschickte, gar nicht angesehen haben.«
    Die Tür ging auf, und ein Herr im dunklen Anzug, mit Regenschirm (im Hochsommer!) und Melone trat ein.
    »Ich bitte vielmals um Verzeihung«, sagte der Gentleman englisch, »aber mein Flugzeug hatte einen Maschinenschaden.«
    »Ich bitte Sie, Mister Gregory«, sagte der von Herresheim gleichfalls in englischer Sprache, »wir haben schon einen Anruf aus London erhalten, daß Sie sich verspäten werden. Die Herren kennen einander alle, nicht wahr?« Die Herren nickten. Auch Jakob. Er kannte den Gentleman auch. Der Gentleman war der Generalbevollmächtigte von Sir Derrick Blossoms Bank in London. Die Unterhaltung lief nun englisch weiter, nachdem Mr. Gregory Regenschirm und Melone verstaut und sich gesetzt hatte. »Wir haben Mister Formann gerade gesagt, daß es nötig sein wird, uns binnen kürzester Zeit seine Bilanzen offenzulegen.«
    Mr. Gregory nickte.
    Was soll ich tun? dachte Jakob. Die Zähne fletschen und knurren wie ein Tiger? Er sagte, an alle gewandt, sehr liebenswürdig: »Selbstverständlich können Sie jederzeit meine Bilanzen sehen, Gentlemen. Ich bin, wenn Sie erlauben, daß ich das sage, indessen denn doch erstaunt über diese Haltung einem Ihrer ältesten Kunden gegenüber, der Ihnen weiß Gott Geld in Massen gebracht hat. Vielleicht darf ich bitten, mir zu sagen, was der Grund für diese … hrm, nun sagen wir … unfreundliche Aufforderung ist?«
    »Die Aufforderung ist keineswegs unfreundlich, Herr Formann«, sagte der von Herresheim und lächelte wieder, und alle anderen Herren lächelten nicht und schüttelten die Köpfe.
    »Was

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