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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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du dir das alles ersparen.«
    »Ob ich dich noch will?« Der Hase machte sich wieder über Jakob her.
    »Wenn einer … was zu beichten … hat«, brummte Jakob, sooft er Luft bekam, »…dann bin … ich … es …«
    »Beichten? Deine Weiber? Daß ich nicht lache. Das weiß ich doch, wie du dich rumgetrieben hast!«
    »Nein, ich fürchte, das weißt du nicht …«
    »Doch weiß ich! In der ganzen Welt hast du Weiber gehabt! Hunderte! Tausende!«
    »Na, also, das ist ja nun wieder mächtig übertrieben!«
    »Ich kenne dich doch, Bär! Alle Bären sind gleich! Glaubst du, das macht mir was? Einen Dreck macht es mir! Du kannst doch keine so liebgehabt haben wie mich! Sonst wärst du nicht zu mir zurückgekommen – oder? Na also!«
    Das wird aber wirklich peinlich, dachte Jakob. Der Hase ist offenbar nicht informiert über das, was sich ereignet hat. Daß ich mit dem Fahrrad und nicht mit einem Rolls samt Chauffeur gekommen bin, hat Julia in ihrer Aufregung nicht bemerkt. Also, das muß ich sofort in Ordnung bringen.
    »Hör mal, Hase, du weißt nicht, wie es um mich steht!«
    »Klar weiß ich es, Bär!« behauptete Julia, an seinem linken Ohrläppchen nagend. »Pleite bist du. Haben tust du nichts mehr! Nicht einen Tupf! Gerade das Fahrrad da und den schäbigen Koffer und was in dem drin ist! Alles andere haben dir die Banken weggenommen! Du bist genauso arm, wie du vor dreißig Jahren gewesen bist. Aber gerade das macht mich ja so besonders glücklich!«
    »Daß ich pleite bin?«
    »Ja!«
    »Lieb von dir. Woher weißt du das denn überhaupt?«
    »Das wissen doch alle! Das hat ja in allen Zeitungen gestanden! Im Radio haben sie es gesagt und im Fernsehen!«
    »Ganz Theresienkron weiß es also? Na servas!«
    »Ganz Österreich! Ganz Deutschland! Die ganze Welt!« Der Hase zog den Bären hastig mit sich. »Komm ins Haus! Da drüben stehen sie schon und starren uns an!«
    Er folgte ihr stolpernd.
    »Bist du allein hier?«
    »Ja. Die liebe Frau Pröschl ist tot! Sie hat mir alles vererbt!« Jakob sah sich staunend um. Auch innen war das Haus neu hergerichtet, verändert, modern und glänzend vor Sauberkeit. »Du mußt ja einen Mordshunger haben! Wo kommst du her?«
    »Aus dem Taunus.«
    »Was?«
    »Aber ich habe ja sechsmal übernachtet.«
    »Trotzdem. Vom Taunus nach Theresienkron geradelt – du bist sicher todmüde!«
    »Müde? Keine Spur! Hase, wofür hältst du mich? Für einen alten Kacker?«
    »Niemals, Bärchen! Donnerwetter, vom Taunus bis hierher! Das soll dir erst mal einer nachmachen! Aber Hunger hast du – oder?«
    »Na ja, also wenn du mich so fragst …«
    »Geh da hinein, Bärchen. Ins Eßzimmer. Ich komme gleich.«
    Julia stürzte davon.
    Jakob betrat das Eßzimmer, das offenbar ebenfalls funkelnagelneu war. Er setzte sich und griff in die Tasche. Hasenpfote, ich danke dir, weil du gemacht hast, daß bisher alles so gut gegangen ist und Julia mich nicht gleich rausgeschmissen hat. Hasenpfote, liebe, bitte, mach jetzt auch, daß alles so gut weitergeht und nix passiert …
    Tiefer und tiefer versank Jakob in sein Hasenpfotengebet. Es wurde ihm geradezu schwindlig von so viel Beterei.
    Die Tür ging auf. Julia kam herein. Ihre Küchenschürze hatte sie abgenommen. Sie trug ein Tablett, das sie auf den großen Tisch stellte.
    »So«, sagte Julia Martens strahlend.
    Auf dem Tablett erblickte Jakob ein Glas und zwei Flaschen ›Preblauer‹. Ferner ein Stück Pappendeckel, auf das Julia in fliegender Hast mit Buntstiften ein großes Herz, einen Bären und einen Hasen sowie viele Blumen gezeichnet hatte, unter denen zu lesen stand: HERZLICH WILLKOMMEN IM HASENSTALL, GELIEBTER BÄR! Und dann – und jetzt traten Tränen in Jakobs Augen – stand da noch etwas: ein Teller und darauf ein, zwei, drei dick bestrichene Schmalzbrote!

2
    »Don’t know why, there’s no sun in the sky! Stormy weather! Since my man and I ain’t together, it keeps raining all the time …«, ertönte die aufregend heisere Stimme der berühmten schwarzhäutigen amerikanischen Blues-Sängerin Lena Horne aus dem Lautsprecher eines Plattenspielers. Die Platte, die da auf dem Teller kreiste, war alt – mehr als dreißig Jahre alt, zerkratzt, verschrammt und total abgespielt. Man konnte Lena Horne kaum verstehen.
    »Du hast immer noch ›Stormy weather‹?« sagte Jakob gerührt.
    »Natürlich«, antwortete Julia. »Das ist doch unser Lied! Diese Platte habe ich in der ganzen Welt mit mir herumgeschleppt und sie mir immer

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