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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nicht? Du bist erledigt, wenn du nicht zum Boß kommst!«
    »Hab’s gehört«, antwortete Jakob, aus seinen Hosen steigend.
    »Herrgott, und ich bin auch erledigt!« schrie der nervöse Devisenfachmann auf. »Willst du nicht wenigstens wissen, wieso ich überhaupt hier bin und einen Boß habe, und wieso ich nicht mehr im Gefängnis sitze?«
    Jakob ließ sich, nur halb bekleidet, auf das untere Bett fallen.
    »Ach so, ja! Wieso sitzt du nicht mehr?«
    Der Franzl schloß die Abteiltür, ließ sich neben Jakob sinken und erzählte, warum er nicht mehr saß …

25
    Der Schlüssel der Zellentür im Wiener Landesgericht drehte sich geräuschvoll im Schloß. Die Zelle teilte Franzl schon seit vier Monaten mit einem ehemaligen Gauredner und Goldenen Parteigenossen. Die beiden hatten sich rasch befreundet und spielten gerade eine Partie Schach. Nun blickten sie interessiert auf. Man schrieb den 22. April 1946.
    Der ihnen bekannte freundliche Wärter mit dem Glasauge ließ einen Herrn in Schlotterzivil eintreten.
    »Tut mir leid, daß ich stören muß«, sagte der Schlotterzivilist (er schlotterte, abgemagert, in einem alten Anzug, der ihm einmal gepaßt hatte), »aber ich habe mit Ihnen zu sprechen, Herr Arnusch. Sie, Herr Gloggnitz, möcht’ ich bitten, inzwischen mit dem Herrn Wärter draußen auf dem Gang zu warten. Dies ist ein Gespräch unter vier Augen!«
    »Scheiße«, sprach der Arnusch Franzl, »in drei Zügen wären Sie matt gewesen, Herr Gloggnitz. Na ja, wie es eben so geht im menschlichen Leben.« Die Redensart liebte der Franzl und gebrauchte sie häufig. Seine Zellentür fiel zu. Der Schlüssel drehte sich wieder. Dort, wo der Gauredner gesessen hatte, saß jetzt der Schlotterzivilist. Er sah sich das Schachbrett an und schüttelte den Kopf.
    »Wie kann der Trottel seinen König derartig bloßstellen?«
    »Nicht wahr? Und so was war Gauredner! Wundert es Sie da, daß wir den Krieg verloren haben? Übrigens, mit wem habe ich die Ehre?«
    »Doktor Schostal«, sagte der Abgemagerte.
    »Aha«, sagte Franzl.
    »Von der österreichischen Zollbehörde! Ich komme im Auftrag des Alliierten Kontrollrats!«
    »Aha«, sagte der Franzl zum zweitenmal.
    »Ich komme ohne jeden Umschweif zur Sache«, versprach Dr. Schostal. »Sie«, er stach mit einem Finger nach Franzl, »Sie kennen doch alle prominenten Schieber in Österreich und in Deutschland. Die Großen und die Kleinen. Die Devisenschieber! Auf dem Gebiet sind Sie doch ein Genie!«
    »Was ist los? Wollen Sie mir Komplimente machen?«
    »Genau das will ich. Wir suchen sie, diese ganz großen Schieber! Merken Sie noch immer nichts?«
    »Ich glaube schon«, sagte der Franzl.
    »Na also! Dann kommen Sie doch zu uns, Herr Arnusch! Wir brauchen Sie!«
    Eine halbe Stunde später (es mußten noch gewisse Bedingungen festgelegt werden, die Franzl stellte), verließ Jakobs Schulfreund in Begleitung Dr. Schostals die Zelle.
    »Auf Wiedersehen«, sagte der freundliche Wärter aus purer Gewohnheit. Das irritierte den Franzl ein wenig.
    Er wurde (als Tarnung) Chef eines Teams zur Bekämpfung des Zigaretten-Schwarzhandels. Daneben hatte er Spezialaufträge, die ganz großen Devisenschieber betreffend. Zu diesem Zweck erhielt er Pässe, Ausweise, Visa, die Erlaubnis zu reisen und Geld.
    Nun reiste der Franzl. Viel und weit!
    Er kümmerte sich aber auch um die nicht so Großen, zum Exempel eben um die Zigarettenschieber. Mit drei echten Zollbeamten ging er auf Pirsch. Bei Schwechat, in der Nähe von Wien, wo dreißig Jahre später ein gewaltiger Flughafen stehen sollte, machten sie einen fetten Fang: Sie erwischten einen Lastwagen mit zwei Millionen Zigaretten. Die drei echten Zollbeamten freuten sich und dachten an Beförderung. Der Franzl klärte sie auf: »Unter- oder Oberbeamter, das ist doch alles Unsinn! Titel sind leerer Wahn. Geld allein macht glücklich. Eine Million behalten wir uns, die andere liefern wir ab.«
    So geschah’s. Alle waren zufrieden.
    Einen zweiten Laster erwischten sie bald danach, als dessen Motor, mit der schweren Fracht den Riederberg heraufkeuchend, streikte und der Fahrer aussteigen mußte. Das Team war rasch zur Stelle und beschlagnahmte drei Millionen Zigaretten. Franzl teilte brüderlich. »Glatte Rechnung, gute Freunde«, sagte er. »Der Staat kriegt nichts, denn der Staat ist nicht unser Freund …«

26
    »Das waren natürlich kleine Fische«, erzählte Franzl seinem Schulfreund Jakob, der wieder hellwach geworden war, indessen die Achsen des

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