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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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folgendes von sich: »Die Sache ist doch ganz einfach. Der Mensch ist ein Seiendes, dem es um das eigene Sein-Können geht. Oder, um mich ganz präzise auszudrücken und nicht mißverstanden zu werden – dessen Sein als Sein zum Sein-Können aufzufassen ist. Ich finde, damit hat der Ausdruck Sein zum Sein-Können einen absolut klaren Sinn erhalten.« Und jetzt prügeln sie mich in den Schnee hinaus, dachte er, entsetzt von sich selbst. Wie kann bloß solcher Schwachsinn über meine Lippen kommen? Er bemerkte, daß ihn alle drei Intellellen anstarrten. Schon gut, schon gut, ich hab’s nicht anders verdient, dachte Jakob. Raus mit mir!
    Frau Dr. Ingeborg Malthus öffnete die Lippen. Jakob erhob sich bereits halb, um zu flüchten.
    »Bei Gott, faszinierend und brillant formuliert, Herr Formann!« sagte Frau Dr. Malthus und sah ihn genauso an, wie sie ihn im Bett angesehen hatte, jedesmal, wenn es bei ihr soweit gewesen war.
    Jakob plumpste entgeistert auf den alten Koffer zurück.

62
    Von Sekunde an war er ein Gleichberechtigter, ein Freund, ja mehr: der Mittelpunkt dieser illustren Versammlung! Frau Dr. Malthus und Herr Jan Kalder zogen ihn ins Vertrauen. Soweit Jakob es mitbekam (es lag zum Teil an seiner Unbildung, zum Teil daran, daß seine neuen Freunde mit vollem Munde sprachen, was man gebildetermaßen ja eigentlich auch nicht tun soll!), war Dr. Malthus Redakteurin bei der ›Berliner Illustrierten‹, Jan Kalder Verlagsdirektor der ›Kölner Illustrierten‹ gewesen. Zusammen wollten sie nun eine neue Illustrierte herausgeben. In monatelanger Arbeit hatte Dr. Malthus eine ›Nullnummer‹ angefertigt. Das war, Jakob wußte es vielleicht nicht, eine Art Prototyp (was ist ein Prototyp?) der zu erwartenden Illustrierten, bereits mit Text und Bildern, alles aufgeklebt auf die einzelnen Seiten und sodann in der Druckerei der NEUEN ZEITUNG in München vollendet.
    Mit dieser ›Nullnummer‹, die Jakob zunächst für etwas ganz anderes hatte halten wollen, war Jan Kalder bereits vor Wochen in München gewesen und hatte sie dort dem amerikanischen Presseoffizier bei der Militärregierung übergeben, der verantwortlich für die Lizenzen war. (Lizenzen waren offenbar etwas, was man brauchte, wenn man Zeitschriften oder Zeitungen oder Bücher veröffentlichen wollte.) Da Kalder eine absolut weiße Weste und unter den Nazis ein Jahr im Gefängnis gesessen hatte, besaß er alle Voraussetzungen, eine solche Lizenz auch zu erhalten, es konnte sich jetzt nur noch um kurze Zeit handeln, bis die Entscheidung fiel. Dann wollten Frau Dr. Malthus und er mit der Arbeit beginnen. Als gleichberechtigte Partner.
    »Fifty-fifty, Sie verstehen, Herr Formann.«
    Na, endlich ist das Hemd fertig. Jetzt die Unterhose.
    »In Form einer GmbH.«
    »Mhm.«
    »Das ist die günstigste Form, wissen Sie, Herr Formann.«
    Sicherlich die günstigste Form zum Bescheißen, dachte Jakob. Nun mach schon mit den Socken, Inge Malthus, ich muß rüber zum Jaschke wegen der Fertighäuser!

63
    »Alles ist da, was man für Fertighäuser braucht, die Hülle und die Fülle«, sagte am frühen Nachmittag dieses Tages Karl Jaschke zu Jakob. Diesmal war er in das richtige Bootshaus gegangen. Jaschke, als Ingenieur, hatte die Wasserfläche seines Hauses (das Boot war auch hier natürlich längst gestohlen gewesen, als er herkam) mit dicken Brettern zugenagelt. (Die Bretter hatte er nachts aus einem Lager der Bauteile für Fertighäuser geklaut, also gleichsam bei sich selbst.) Seine zwei minderjährigen Söhne schliefen in Kastenbetten übereinander, dem Bett der Eltern gegenüber. Auch die Kastenbetten hatte Ingenieur Jaschke, ein junger Mann mit einer hübschen jungen Frau, selbst gezimmert. Die Bretter für die Betten hatte Jaschke ebenfalls bei sich selbst geklaut. Die beiden Knaben waren in der Murnauer Volksschule. Auch Jaschkes hatten sehr wenig zu essen. Entsprechend groß war die Freude über alles gewesen, was Jakob mitgebracht hatte. Jaschke war Jakob sogleich sehr sympathisch. Mit dem Mann wird man arbeiten können, dachte er.
    Seine Kleidung war immer noch klamm. Und bei Jaschkes war es so kalt wie bei Kalders.
    »Sämtliche Einzelteile sind da, Herr Formann«, sagte der Ingenieur Jaschke. »Von der Tür bis zum Dachstuhl. Für viele Hunderte Hauseinheiten. Sicher verstaut in Ställen und Scheunen. Ich kontrolliere täglich. Und bloß für mich habe ich ein paar Bretter entnommen.« Er sagte es traurig.
    »Warum sind Sie denn so traurig?« fragte

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