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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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hat der mich bedroht, dieser Hohlweg.«
    »Hohlweg hat er geheißen, richtig.«
    »Peter Hohlweg, ja! Das Werk ist ausgebombt, natürlich. Aber der Hohlweg, ich habe Ihnen ja schon erzählt, was der inzwischen drüben für eine phantastische Karriere gemacht hat! In der Deutschen Verwaltung für Handel und Versorgung. Das ist die zentrale Verwaltung, ich hab’s schon mal gesagt, Herr Formann, für Versorgung, Herr Formann!«
    »Ja, das habe ich gehört.«
    »Nicht zu verwechseln mit den verschiedenen Erfassungsstellen für einzelne Lebensmittel! Ist ein kompliziertes System, wissen Sie. Aber die Zentralverwaltung erfaßt alles, was mit Versorgung zu tun hat, also mit dem Fressen!«
    »Hübsche Bürokratie, was?«
    »Ja. Und eine Stelle kommt mit der andern ins Gedränge. Und ein Bonze haßt den andern … Hohlweg!« Hölzlwimmer lachte, der ersten Silbe dieses Namens entsprechend. »Das ist vielleicht ein charakterloses Schwein, das kann ich Ihnen nur flüstern, Herr Formann!«
    »Wieso?«
    »Habe natürlich meine Informationen …«
    »Natürlich. Und?«
    »Na ja, und dieses Mistvieh, dieser Hohlweg, gestern Nazi, heute Kommunist, also der hat sich an die neuen Herren rangeschmissen, daß man nur stundenlang kotzen kann, Herr Formann!«
    Genau wie über dich, dachte Jakob und fragte: »Was heißt das: Hat sich rangeschmissen? Wie schmeißt er sich ran?«
    »Na, aus Moskau sind doch nach Kriegsende die Männer der ersten Stunde gekommen, nicht wahr? Der Spitzbart Ulbricht und so weiter …«
    »My blue heaven …«, sang Frankie-Boy nun, auf daß die Hennen angeregt wurden und noch mehr legten.
    »Und?«
    »Und bei denen hat er sich sofort unentbehrlich gemacht, erzählen mir Freunde, die aus Berlin kommen. Raus aus dem einen Arsch, rein in den andern!«
    Genau wie du, dachte Jakob und sagte: »Hohes Tier in der Zentralverwaltung …?«
    »Eines der höchsten!«
    »Bedeutender Funktionär«, sagte Wenzel Prill und sah Jakob mit ernster Miene an.
    »Kann man wohl sagen!« Hölzlwimmer stand noch strammer. »Ein paar von seinen Freunden haben in den Westen gemacht und sind jetzt hier die Bosse von der KPD !«
    »Aha«, sagte Jakob ausdruckslos.
    »Persönlich kenne ich nur einen in Frankfurt. Leitet den Landesverband Hessen. Stephan Klahr. Mit a-ha.«
    »Aha.«
    »Lassen Sie bloß die Finger von dem Kerl! Das ist auch so ein Scheißer wie der Hohlweg! Wie kommen Sie überhaupt auf das ganze Thema?«
    »Ach, da hetzen die Kommunisten und nennen mich einen beschissenen kapitalistischen Ausbeuter und drohen mit Sabotage. Nehmen Sie es nicht ernst, Herr Hölzlwimmer.«
    »So was kann man gar nicht ernst genug nehmen, Herr Formann! Werde sofort Werkschutzgruppen aufstellen. Empfehle das auch für unsere« –
(unsere!)
 – »anderen Höfe!« Hölzlwimmer war aufgeregt.
    »Okay, Herr Hölzlwimmer. Ich vertraue Ihnen … wie immer«, sagte jetzt Wenzel Prill. Ganz lässig sagte er es. »Danke. Weggetreten!«
    Der Funktionär Hölzlwimmer grüßte militärisch, machte auf dem Hacken kehrt und verließ die Baracke.
    »So«, sagte Jakob. »Das klappt ja wie geschmiert. Jetzt kennen wir die Namen. Mit diesem Klahr rede ich allein, Wenzel. Du kannst dich schon mal um die Zugverbindung kümmern. Dann müssen wir runter nach München, zu unserem Fälscherfreund Mader.«
    »In Ordnung.«
    »Und dann kommst du mit.«
    »Natürlich. Ich kann Russisch. Der Hölzlwimmer schmeißt den Laden hier allein. Der stellt uns jetzt ganze Heeresgruppen auf.«
    »My blue heaven …«, sang Frank Sinatra.

65
    »Ich habe schon von Ihnen gehört, Herr Formann«, sagte Stephan Klahr, vom KP -Landesverband Hessen, höflich, aber sehr förmlich. »Nehmen Sie bitte Platz. Was kann ich für Sie tun?«
    Jakob setzte sich auf einen wackligen Stuhl vor einen wackligen Schreibtisch. Herr Klahr setzte sich hinter den Schreibtisch. Ernst blickte Josef Wissarionowitsch Stalin aus einer Fotografie an der Wand auf Jakob herab. Beim Governor van Wagoner hat General Eisenhower auf mich herabgeblickt, dachte Jakob. Mit der Zeit werde ich die Herren schon alle noch kennenlernen.
    »Herr Klahr«, sagte unser Freund und sah dem andern fest ins treue Männerauge. »Ich weiß, in Ihren Kreisen halten mich viele für einen Ami-boy, für einen Kapitalisten, für einen Kommunistenfresser, für …«
    »Aber nicht doch, Herr Formann«, sagte Klahr, gepreßt höflich.
    »Aber ja doch, Herr Klahr«, erwiderte Jakob mit Nachruck. »Ich höre doch auch, was geredet

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