Hush Hotel
erschien, obwohl es sie eigentlich abstoßen müsste?
Sie wusste nicht, ob sie ihm das sagen sollte, also blieb sie bei der restlichen Wahrheit. “Nein, das glaube ich nicht. Aber ich hoffe es. Ich kann nicht mein Leben lang darauf warten, dass du mal wieder in die Stadt kommst und mich nur dann komplett und lebendig fühlen, wenn wir zusammen sind. So will ich nicht leben. Ich würde den Respekt vor mir verlieren. Und wenn du das von mir erwartest, verliere ich auch den Respekt vor dir.”
“Und? Ist Quentin über Nacht geblieben?”, fragte April, während sie hinter Shandi, die gerade ihren Rucksack auf die Schulter hievte, zur U-Bahn-Station hetzte.
“Was geht dich das an?”, antwortete Shandi und sah ihre Freundin an, die nur ein Prada-Handtäschchen dabei hatte, sonst nichts. “Übrigens war Evan nicht zu Hause, als ich heute Morgen das Haus verließ.”
“Weil ich ihn gestern Abend gebeten habe zu bleiben.” April wich einem Fahrradkurier aus, der an ihnen vorbeiraste. Sie beeilte sich, Shandi wieder einzuholen, und ihre Jimmy-Choo-Slipper klapperten auf dem Bürgersteig. “Ich wusste doch, dass er bei eurem hemmungslosen Nahkampf nur gestört hätte.”
“Du bist heute Morgen ja sehr kreativ.” Obwohl es, nachdem sie vom Dach gekommen waren, in der Tat noch einmal sehr hemmungslos geworden war.
Aber Kreativität war heute Morgen auch nicht gerade ihre Stärke. Genauso wie Gehen. Oder sich Gefühle einzugestehen.
Denn sie gab es nur ungern zu, aber seit Quentin heute Morgen gegangen war, war sie schlechter Laune. Er hatte sie in der Nacht so wunderbar gewärmt; sie hatte schon lange nicht mehr so tief und gut geschlafen.
Als sie schließlich aufgestanden war, war ihr das Bett so leer vorgekommen und sie sich so allein.
Es war nicht fair von ihr, dass sie ihre beste Freundin jetzt darunter leiden ließ. “Vielleicht solltest du einen Kurs 'Kreatives Schreiben' belegen. Oder irgendwie sonst an deiner Originalität arbeiten, vor allem, da die Kunstgalerie, die du planst, Originale von April Carter ausstellen soll.”
“Wechsel nicht das Thema”, sagte April, hielt Shandi am Rucksack fest und zwang sie, stehen zu bleiben. “Und hör auf, mich anzuzicken. Ich habe nach dir und Quentin gefragt!”
“Schön, und ich habe von dir und Evan gesprochen. Quentin und ich haben nur eine Affäre”, sagte Shandi und fragte sich, warum es ihr heute so wehtat, das zu sagen, wo es ihr gestern doch so leicht über die Lippen gekommen war. “Was du mit Evan hast, ist doch angeblich mehr. Also sollten wir lieber darüber reden.”
“Was meinst du damit,
ist doch angeblich mehr?
Es
ist
mehr!” April verschränkte die Arme, hob trotzig das Kinn und versuchte, auf Shandi herabzusehen – was ihr nicht wirklich gelang, denn sie war gute zehn Zentimeter kleiner.
Shandi seufzte. Sie wollte nach Hause. Sich in die Badewanne legen, Pediküre betreiben, ihre Haare pflegen, sich die Beine rasieren. Sich etwas Gutes tun, um ihre schlechte Laune loszuwerden.
Und sich überlegen, was sie heute Abend unter ihrer Kellneruniform tragen würde, falls Quentin wieder das Bedürfnis überkam, sie auszuziehen. Schließlich blieben ihnen nur noch wenige Tage, und die sollten perfekt werden.
Sie wollte in dieser Stimmung keine Diskussion mit April anfangen. Es war ungerecht, sie so zu behandeln. Immerhin würde sie noch da sein, wenn Quentin längst verschwunden war.
Seit Evan die Bombe hatte platzen lassen, hatte sie noch kein Wort mit ihm gewechselt, obwohl sie dringend reden mussten. Vor allem, wenn sie sich wirklich demnächst zu dritt eine Wohnung teilen wollten.
Sie warf einen Blick auf die verstopfte Kreuzung, über die sie sich kämpfen musste, um auf die andere Seite zur U-Bahn-Station zu gelangen. Dann drehte sie sich zu April um. Sie sagte recht einfallslos: “Komm, wir gehen einen Kaffee trinken.”
April nickte stumm und hakte sich bei Shandi unter. Sie gingen nicht über die Straße, sondern bogen um die Ecke und steuerten den Starbucks an, in dem Evan arbeitete.
Es war Freitag, und er wäre nicht vor vier Uhr da, weil er so lange Vorlesung hatte. Also hatten April und sie genügend Zeit, alleine zu reden.
April bestellte eine Vanilla Latte und Shandi einen einfachen Espresso. Sie ergatterten einen Tisch an der Frontscheibe, der gerade frei geworden war. Als sie es sich bequem gemacht hatten, legte Shandi auch schon los.
“Ich möchte wissen, wie Evan und du es euch vorstellt, dass wir uns eine
Weitere Kostenlose Bücher