Hush Hotel
Wohnung mit mehr als einem Zimmer oder 120 Quadratmetern leisten können, wo nur zwei von uns einen Teilzeit-Job haben.”
April hielt den grünen Pappbecher mit dem Starbucks-Logo in beiden Händen und blickte nach unten. “Ich muss mir eben auch einen Job suchen …”
“Du meinst, du musst dir auch
zwei
Jobs suchen.” Es ging nicht anders, Shandi musste ihren Frust und ihre Verzweiflung rauslassen. “Ich werde mir einige Kurse nicht mehr leisten können und muss noch mehr arbeiten. Wenn ich nicht mehr Stunden im
Erotique
arbeiten kann, muss ich mir zusätzlich was anderes suchen. Dasselbe gilt für Evan. Wir werden dadurch mindestens ein Semester länger studieren müssen. Habt ihr darüber denn gar nicht gesprochen?”
“Natürlich”, sagte April und schlürfte an ihrer Latte, um Shandis Blick auszuweichen. Aus den Lautsprechern des Cafés dröhnten jazzige Reggaerhythmen.
Wahrscheinlich müsst ihr noch mal drüber reden, dachte Shandi. Und zwar mit mir. “Warum habt ihr nichts gesagt? Ich finde es reichlich unfair, dass ihr diese Entscheidung über meinen Kopf weg getroffen habt. Es geht hier schließlich nicht nur um euch beide.”
“Doch, eigentlich schon.” April sah sie entschlossen an. “Evan und ich wollen zusammen sein. Wir wollen es gemeinsam versuchen.”
“So lange ich da bin und euch zu Hilfe eilen kann, meinst du”, sagte Shandi und funkelte wütend einen anderen Gast an, der sie angerempelt und sich nicht einmal entschuldigt hatte. Als sie wieder April ansah, schüttelte diese den Kopf.
“Wenn du mit uns zusammenwohnen möchtest, damit wir die Kosten teilen, gerne. Aber es geht nicht um dich, Shandi. Es geht um uns.” April saß plötzlich ganz gerade, als ob sie ihr neu gewonnenes Rückgrat ausprobierte. “Es hat zwar eine Weile gedauert, aber langsam kapiere ich, was du mir die ganze Zeit gesagt hast.”
“Und das wäre?”, fragte Shandi und kam sich klein und egoistisch vor. Aber sie machte sich eben Gedanken, wie es für sie weitergehen würde, wie alt sie sein würde, wenn sie endlich ihren Abschluss hätte und wie lange sie diese Doppelbelastung überhaupt noch durchhalten könnte.
“Dass wir unser Leben nicht danach gestalten sollen, wie es unseren Angehörigen passt, so wie bisher”, räumte April ein und spielte mit dem Deckel ihres Kaffeebechers. “Zuerst war es ein Kompromiss, jetzt ist es ein Opfer. Wir stellen dauernd unsere Bedürfnisse hinten an, damit Evans Großmutter und meine Eltern zufrieden sind. Ich weiß auch nicht, warum wir so lange gebraucht haben, um das zu kapieren.”
Wie sollte Shandi dagegen argumentieren? Das war schließlich genau das, was sie ihrer Freundin immer wieder gepredigt hatte.
Sie ließ sich gegen die Stuhllehne sinken und fühlte sich plötzlich zu erschöpft, um eine ganze Schicht in der Bar zu absolvieren. “Ihr hättet mir wenigstens sagen können, dass ihr darüber nachdenkt, statt damit herauszuplatzen, als Quentin da war.”
“Glaub mir, Evan hat immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen”, sagte April. “Aber es hat sich erst am Abend davor ergeben. Oder genauer gesagt, erst am Morgen. Ich konnte nicht schlafen und ging rüber zu ihm ins Wohnzimmer. Dann haben wir über eine Menge Dinge gesprochen, von denen du mir gesagt hast, dass wir dringend darüber reden müssten. Ich bezweifle, dass Evan überhaupt an Quentin gedacht hat. Er wollte nur einfach die gute Nachricht loswerden.”
“Ja, es ist wirklich eine gute Nachricht.” Shandi freute sich für die beiden. Für sich selbst freute sie sich weniger, aber ihre Freundin hatte recht: Es ging hier nicht um sie.
“Ich freue mich für euch, wirklich. Ich wünschte nur, dass wir deswegen nicht alle umziehen müssten. Ich liebe meine Wohnung fast so sehr wie die Tatsache, dass ich dort keine Miete zahlen muss.”
April lachte. “Ich weiß. Und eigentlich hoffen wir alle, dass ich die Einzige sein werde, die umzieht.”
Aprils Worte waren wie ein Rettungsring, an den sich Shandi dankbar klammerte. “Evan wird also mit seiner Oma sprechen?”
“Ja, schon bald. Aber erst suche ich mir einen Job. Falls wir umziehen müssen, muss ich sowieso arbeiten gehen.” April ließ den Rest Kaffee in ihrem Becher kreisen und sah kurz zu den drei kichernden Teenagern rüber, die mit dem Jungen hinter dem Tresen flirteten. “Mrs. Harcourts größter Einwand gegen unsere Beziehung war ja immer, dass ich nicht arbeiten muss, weil ich aus einer wohlhabenden Familie
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