Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hustvedt, Siri

Hustvedt, Siri

Titel: Hustvedt, Siri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Sommer ohne Maenner
Vom Netzwerk:
auch für uns, die ohne Samen, aber voller
Eier sind, gelten könnte. Wir vergeuden diese Eier natürlich wie verrückt, indem
wir sie jeden Monat an Blutungstagen hinausspülen, aber andererseits sind auch die
meisten Spermien völlig nutzlos, ein Gedanke, der anderweitig ausführlicher untersucht
werden soll.)
    Schlanke Nymphe,
in Sessel gelehnt, zieht Feder strategisch zwischen ihren gespreizten Beinen hin
und her.
    Dunkle Lady,
auf der Bettkante liegend, Beine in der Luft, beide Hände zwischen in Unordnung
geratenen Unterröcken vergraben.
    Stämmige Rothaarige
rittlings auf einer Trapezstange, Kopf zurückgeworfen, Mund in orgiastischem Außer-sich-Sein
geöffnet.
    Grinsende Blondine
mit Duschkopf - Wasserstrahlen in sauberen Fächerlinien aus blauem Garn gestickt.
    Und schließlich
eine weißhaarige Frau in einem langen Nachthemd, im Bett liegend, die Hände über
dem Stoff auf ihre Genitalien gedrückt. Diese letzte Figur veränderte die Arbeit
völlig. Das Spaßhafte der vier jüngeren Feiernden kippte plötzlich ins Ergreifende,
und ich dachte an die Einsamkeit masturbatorischer Tröstungen, an meine eigenen
einsamen Tröstungen.
    Als ich von
dem Gobelin mit den sich selbst Lust bereitenden Frauen zu Abigail aufblickte,
stellte sie eine zugleich pfiffige und traurige Miene zur Schau. Sie sagte mir,
sie habe die Masturbierenden niemandem außer mir gezeigt. Ich fragte, warum nicht.
«Zu gewagt», lautete ihre knappe Antwort.
    Seltsam, wie
schnell ich mich an die eingeknickte Haltung der Frau gewöhnt hatte und wie wenig
ich daran dachte, wenn ich mit ihr sprach. Ich stellte jedoch fest, dass ihre Hände
stärker zitterten als bei unserer letzten Begegnung. Dreimal wiederholte sie, dass
niemand außer mir «den Läufer» gesehen hatte, als wollte sie sich meiner Vertrauenswürdigkeit
vergewissern. Ich sagte, ich würde ohne ihre Erlaubnis nie darüber sprechen. Abigails
scharfe Augen vermittelten mir den starken Eindruck, dass sie mich nicht aus einer
Laune heraus zur Treuhänderin ihres künstlerischen Geheimnisses erwählt hatte.
Sie hatte einen Grund, und sie kannte ihn. Dennoch erklärte sie wenig und führte
an jenem Nachmittag bei Zitronenkeksen und Tee ein ausuferndes, konturloses Gespräch
mit mir, wobei sie von ihrem Besuch in New York im Jahr 1938 und ihrer Liebe zur
Frick Collection sprunghaft dazu überleitete, dass sie sechs Jahre alt gewesen war,
als die Frauen das Wahlrecht bekamen, und weiter zu dem armseligen Künstlerbedarf,
den Kunstlehrer seinerzeit erhielten, und wie sie ihn entweder selbst kaufen oder
ihren Schülern vorenthalten musste. Ich hörte ihr geduldig zu, wohl wissend, dass
mich trotz der geringen Bedeutung dessen, was sie erzählte, eine Dringlichkeit in
ihrem Ton auf meinem Platz festhielt. Nach einer Stunde merkte ich, dass sie müde
wurde, und schlug vor, uns auf ein andermal zu vertagen.
    Beim Abschied
schloss Abigail meine Hände in ihre. Ihr Druck war schwach und zittrig. Dann hob
sie meine Hände an den Mund, küsste sie, legte den Kopf zur Seite und drückte ihre
Wange fest an meine Handgelenke. Draußen vor der Tür lehnte ich mich an die Flurwand
und spürte Tränen aufsteigen, doch hatte ich keine Ahnung, ob sie Abigail oder
mir galten.
    Ich wusste,
dass Pete wieder da war, weil ich ihn hörte. Jetzt, wo ich mich mit Lola angefreundet
hatte, machte mir der Lärm mehr aus. Ich saß im Garten auf meinem Stuhl nach einem
langen Telefonat mit Daisy, der angehenden Komödiantin mit dem netten, aber übermäßig
besitzergreifenden Freund, «der, wenn er nicht arbeitet, jede Minute mit mir zusammen
sein will». Sie hatte angerufen, weil sie dringend über diplomatische Fragen sprechen
wollte. Sie wollte die beste Art finden, ihm zu sagen: «Ich brauche Raum.» Als ich
darauf hinwies, dass der Satz, den sie gerade verwandt hatte, unaufdringlich genug
zu sein schien, stöhnte sie: «Er wird ihn hassen.» Auch Pete hasste irgendetwas, aber zum Glück hörte sein
Gebrüll nach wenigen Minuten auf, und im Haus nebenan wurde es still. Vielleicht
hatten die Kampfhähne Gefallen an den wortlosen Stößen und Paraden der Kopulation
gefunden. Mein Vater war kein Schreihals gewesen, Boris war auch keiner, aber auch
im Schweigen kann Macht liegen, manchmal sogar mehr. Das Schweigen zieht einen in
das Geheimnis des Mannes hinein. Was geht da drin vor? Warum sagst du es mir nicht?
Bist du fröhlich, traurig oder zornig? Wir müssen behutsam mit dir umgehen, sehr
behutsam. Deine Launen

Weitere Kostenlose Bücher