Hutch 01 - Gottes Maschinen
gibt’s? Stimmt etwas nicht?« Es war Janet.
»Janet.« Hutchs Stimme war nur ein Flüstern, als könnte das Ding sie durch ihr Flickingerfeld hindurch hören. »Vor mir sitzt ein großer Käfer.«
»Wie groß?«
»Groß. Drei Meter.« Pause, um vorsichtig zu atmen. Dann: »Eine Gottesanbeterin oder so. Ich weiß nicht …«
»Sind Sie etwa draußen?« Janets Stimme nahm einen vorwurfsvollen Ton an.
»Ja.« Nur ein Flüstern.
»Wo draußen?« Eine Spur von Ärger schwang in ihrem Ton mit, bevor sie wieder zu ihrer professionellen Ruhe zurückfand.
»Auf dem Schwimmpier.«
»In Ordnung. Es ist ungefährlich, aber rühren Sie sich nicht, ja? Nicht eine Bewegung! Ich bin schon unterwegs.«
»Sie?«
»Wollen Sie warten, bis ich jemand anderen gefunden habe?«
Zäher Schleim troff aus dem Maul des Riesenkäfers.
Hutch flüsterte: »Nein.«
Das verdammte Ding sah nicht ungefährlich aus. Überhaupt nicht!
Hutch bemerkte plötzlich die durchdringenden Schreie, die immer noch vom Strand her erschollen. Sie hatte sich am Geländer festgekrallt und wagte nicht, den Kopf zu wenden. Ihre Muskeln verkrampften sich langsam. Drei der Augen wandten sich pendelnd von ihr ab und warfen einen Blick auf den Strand, dann schwangen sie wieder zurück.
Das Flickingerfeld bot keinen ausreichenden Schutz gegen die messerscharfen Kiefer, jedenfalls nicht mehr als ein altmodischer Druckanzug. Hutch sprach in das Kehlkopfmikro: »Vielleicht wäre es gut, wenn Sie sich beeilen würden?« Sie verabscheute das Zittern ihrer Stimme.
»Keine Panik, es ist nur ein Läufer. Ich bin in einer Minute da. Halten Sie durch.«
Wenn es ungefährlich war, warum zur Hölle durfte sie sich dann nicht bewegen?
Hutch schätzte aus den Augenwinkeln die Entfernung zu Alpha ab. Ungefähr fünfzehn Meter. Sie konnte die Luke von hier aus mit einem gesprochenen Befehl öffnen, und sie war sicher, die Entfernung mit einem Sprint zurücklegen und sich in das Raumschiff retten zu können, bevor das Ding auch nur reagieren konnte. Aber die Luke würde fünfzehn Sekunden brauchen, um sich hinter ihr zu schließen. Würde das Ungeheuer ihr soviel Zeit lassen?
Der Riesenkäfer weckte eine tief verborgene Urangst in ihr. Sie hätte sich sogar gefürchtet, wenn er nur ein paar Zentimeter groß gewesen wäre. »Alpha, Cockpit öffnen.«
Sie vernahm das Geräusch der sich öffnenden Luke. Drei Stielaugen drehten sich nach dem Geräusch um. Das vierte blieb unverwandt auf sie gerichtet.
Janet meldete sich. »Hutch, unternehmen Sie nichts.« Ihre Stimme klang flach. »Warten Sie, bis ich bei Ihnen bin. Bleiben Sie nur ruhig sitzen und rühren Sie sich nicht, ja?«
Die Kreatur beobachtete mit drei Augen die Fähre, während das vierte sie weiterhin in Schach hielt.
Die Schreie am Strand waren verstummt. Sie wagte nicht, den Kopf zu drehen und nachzuschauen, was passiert war. Immerhin hatte sich ihr Atem halbwegs beruhigt. Ganz langsam schob sie einen Fuß unter den Körper, damit sie aufspringen konnte.
Interesse erwachte in der Kreatur. Hutch konnte es förmlich sehen. Die drei anderen Augen richteten sich erneut auf sie. Kiefer schnappten. Zitternd entrollte sich ein Fühler.
Hutch wollte wegsehen, aber sie schaffte es nicht.
Janet, wo bleibst du? In Gedanken verfolgte sie Janets Weg. Sie war wahrscheinlich unten in der Zentrale gewesen, weniger als eine Minute vom Unterwasserhangar entfernt. Am Waffenschrank vorbei, einen Pulser nehmen. Wo befanden sich die Waffenschränke? Der Weg vom Pier nach Seapoint hatte letzte Nacht vielleicht acht oder zehn Minuten gedauert, aber Carson hatte es nicht eilig gehabt. Das Boot konnte den Weg sicher in weniger als fünf Minuten zurücklegen. Zusammen maximal sieben Minuten.
Ein Wind kam auf. Die Pelikane kreisten.
Wie sieht die Welt mit vier Augen aus, die sich alle unabhängig voneinander bewegen? War es überhaupt Sehen? Was sah es?
Warum war sie ohne Waffe losgezogen? Sie kannte die Vorschrift. Aber sie war noch niemals angegriffen worden, nirgendwo. Zu dämlich.
Eines der Augen reckte sich und richtete den Blick auf irgend etwas hinter Hutch.
»Ich bin da.« Janets Stimme. »Gleich geht’s los.« Hutch hörte das Summen des Bootsantriebs und das Zischen eines Luftaustauschers.
Der Läufer war eingekreist, vom offenen Wasser abgeschnitten. An drei Seiten befand sich der Pier, und von der vierten kam das Boot. Es würde schwierig werden, mit dem Boot an der Kreatur vorbeizukommen, aber das war
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