Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
Formen, die in der Natur nicht vorkommen.
Seit ihrer Entdeckung vor zwei Jahrzehnten hatte sich die Architektur dramatisch verändert. Bögen und Wölbungen waren plötzlich überall das grundlegende Gestaltungselement. Brücken, Häuser, Andockstationen, alles, was durch die Hände von Architekten ging, wies nun Krümmungen und Bögen auf. Wenn die Omega-Wolken in der Nähe der Erde auftauchten – ihre Ankunft wurde in ungefähr tausend Jahren erwartet – würden sie nichts vorfinden, was sie zu einem Angriff verleiten konnte.
Die Dinger hatten eine ausufernde Debatte eingeläutet: Waren sie natürlich entstanden, eine evolutionäre Instanz, mit der sich die Galaxie selbst vor empfindungsfähigem Leben schützte? Oder waren sie das Produkt einer teuflischen Intelligenz, die über unglaubliche technische Fähigkeiten verfügte? Niemand wusste es, aber die Vorstellung, das Universum selbst könnte darauf aus sein, die menschliche Gattung zu erledigen, hatte ein gewisses Umdenken in den diversen führenden Religionen bewirkt.
Der Tempel in der Wüste war rund gewesen, frei von architektonischen rechten Winkeln. Hutch fragte sich, ob das ein Hinweis darauf sein mochte, dass dieses Problem schon uralt war.
Die Landefähre glitt in ihren Hangar an Bord der Wildside. Hutch wartete, bis ein grünes Signal an ihrem Schaltpult aufleuchtete. Als es so weit war, öffnete sie die Luftschleuse. »Nett, Sie bei uns zu haben«, sagte sie. »Die Quartiere befinden sich auf dem Oberdeck. Schauen Sie nach Ihren Namen. Die Küche ist hinten. Falls Sie sich umziehen oder duschen oder was immer wollen, so haben Sie dafür vor unserem Abflug Zeit. Wir werden frühestens in einer Stunde aufbrechen.«
Embry Desjardain hatte langes schwarzes Haar und auffällige Wangenknochen. Etwas in ihren Augen machte es dem Betrachter leicht, die Chirurgin in ihr zu sehen. Sie hatte drei Jahre auf Pinnacle zugebracht, ein Jahr mehr als die übliche Dienstzeit für medizinisches Personal. »Mir hat es gefallen«, erklärte sie Hutch. »Da draußen gibt es keine Hypochonder.«
Tom Scolari, ein rothaariger Mann mittlerer Größe, der gern und viel lachte, erzählte Hutch, dass er nach Hause zurückkehren wollte, weil sein Vater krank geworden war. Da seine Mutter ebenfalls invalide war, brauchten sie jemanden, der sich um sie und ihr Haus kümmerte. »Mir soll’s recht sein«, fuhr er mit aufrichtiger Miene fort. »Auf Pinnacle herrscht sowieso Frauenmangel.«
Offenbar hatte er es sich zum Ziel gesetzt, Nightingale die Hand zu schütteln. »Sind Sie«, sagte er, »derselbe Nightingale, der vor einigen Jahren auf Deepsix war?«
Nightingale bestätigte, dass er es war, erklärte, wie schön es wäre, wieder heimzukehren, und schlug ein Buch auf.
Während sie darauf wartete, dass die Wildside die Position erreichte, in der ihr Orbit auf einer Linie mit ihrem Startvektor lag, erledigte Hutch die erforderlichen Kontrollen, sprach mit einem alten Freund auf Skyhawk, der Raumstation im Orbit von Pinnacle, und überflog die eingehenden Nachrichten.
Darunter waren einige interessante Neuigkeiten: Das transgalaktische Vergnügungsschiff Evening Star war auf dem Weg nach Maleiva, an Bord fünfzehnhundert Touristen, die sich die Kollision ansehen wollten. Außerdem würde Universal News Network das Spektakel live übertragen, wenn die Übertragung bis zur Erde auch einige Tage unterwegs sein würde. Separatisten in Wyoming hatten wieder einmal wild um sich geschossen, und in Jerusalem war es erneut zu Gewaltausbrüchen gekommen.
Die Star war das größte Raumfahrzeug einer geplanten Flotte von Vergnügungsschiffen. Vor einigen Jahren hatte ein kleineres Schiff Passagiere zu dem schwarzen Loch bei Golem Point gebracht. Niemand hatte damit gerechnet, dass eine solche Reise großes Interesse hervorrufen würde. An einem schwarzen Loch gab es, wie es damals scherzhaft hieß, nicht viel zu sehen. Dann aber wurde der Veranstalter mit Buchungsanfragen überschwemmt, und plötzlich wurden die Wunder des Weltraums zu einem einträglichen Geschäft, und ein neuer Wirtschaftszweig war geboren.
Die Maleiva-Geschichte erinnerte sie an Randy Nightingale und seine persönliche Verbindung zu diesem System. Die unglückselige Mission vor neunzehn Jahren hatte ihn seine Zukunft und seinen guten Ruf gekostet. Nun geisterte Maleiva wieder durch die Nachrichten, und sie fragte sich, ob diese Tatsache irgendetwas mit seiner Entscheidung zu tun hatte, nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher