Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
wie der Tempel ausgesehen hat. Wir kennen zwar nicht jedes Detail, aber der Nachbau kommt dem Original sehr nahe. Was die Statuen angeht, so haben wir hier und anderswo genug Einzelteile gefunden, um sichere Schlüsse zu ziehen. Ich nehme an, würden die Einheimischen zurückkehren, so würden sie sich in unserem Modell wie zu Hause fühlen.«
Die archäologischen Arbeiten auf Pinnacle dauerten nun schon dreißig Jahre an. Derzeit verteilten sich mehr als zweitausend Forscher und taktische Mitarbeiter auf mehrere Dutzend Ausgrabungsstätten.
Obwohl Pinnacle beileibe keine unbelebte Welt war, war sie für die Exobiologen von untergeordnetem Interesse. Man hatte die diversen Lebensformen längst katalogisiert sowie die rein elektrischen Lebensformen analysiert, und die einzige verbliebene Aufgabe war die Sammlung weiterer Daten. Mit Überraschungen oder bahnbrechenden Funden war nicht zu rechnen.
Dennoch ging von der dominanten Lebensform immer noch eine große Faszination aus. Die Erbauer des Tempels hatten sich über alle fünf Kontinente ausgebreitet; von den vereisten Polen abgesehen, waren die Überreste ihrer Städte überall gefunden worden. Dennoch waren sie in Vergessenheit geraten, obwohl sie die bei weitem älteste Zivilisation errichtet hatten, die Menschen je gefunden hatten. Und mit wie viel Stolz Chernowski auch auf sie sein mochte, nicht ein Angehöriger ihrer Spezies war namentlich bekannt. Nicht einmal der Name der obersten Gottheit ließ sich bestimmen.
Hutch dankte für die Führung und kehrte zu dem Rover zurück. Mit einem Bein im Fahrzeug und dem anderen noch auf festem Boden hielt sie kurz inne, betrachtete den Kreis aus alten Steinen und fragte sich, welchen Anteil die Vorstellungsgabe von Chernowskis Konstrukteuren an dem Tempel haben mochte, den sie gesehen hatte.
Der E-Suit schmiegte sich wie eine zweite Hülle an ihren Körper, während er sich vor ihrem Gesicht zu einer harten, ovalen Schale auswölbte, durch die sie sprechen und mühelos atmen konnte. Er bot Schutz vor extremen Temperaturen und Strahlung und erzeugte den notwendigen Luftdruck im Inneren, sodass sie auch in einem Vakuum überleben konnte. Energie erhielt der Anzug aus den Vektorbosonen der so genannten Schwachen Kraft, womit die Energieversorgung bis in alle Ewigkeit gewährleistet war.
Als der Tempel noch an dieser Stelle gestanden hatte, war das Klima weit freundlicher gewesen, und die Landschaft der Umgebung hatte eine blühende Agrargesellschaft genährt. Später waren Tempel und Stadt mehrfach geplündert und niedergebrannt worden, und doch hatte sich der Ort immer wieder erhoben und war schließlich, nach einhelliger Meinung der Experten, zur Hauptstadt des ganzen Reiches aufgestiegen.
Und dann war er für immer zu Staub zerfallen.
Ihr Commlink vibrierte. »Hutch? Wir sind bereit zum Aufbruch«, sagte Toni Hamner, eine ihrer Mitreisenden, die momentan die Verladearbeiten überwachte.
Einige von Chernowskis Mitarbeitern hoben einen gravierten Stein aus einer Grube. »Bin unterwegs«, sagte sie.
Wenige Minuten später setzte sie neben der Landefähre auf. Vor der Fähre stand ein weiterer Rover, der soeben um seine Last aus Packkisten erleichtert wurde. Die Kisten enthielten Artefakte, beinahe ausschließlich Stücke aus dem alten Tempel, die sicher in Schaumstoff verpackt waren. »Wir haben einige Keramiken dabei«, berichtete Toni, »einschließlich einer Statue.«
»Eine Statue? Von wem?«
Sie lachte. »Das weiß niemand. Aber sie ist gut erhalten.«
Einer der beiden Ladehelfer betrachtete die Frachtetiketten. »Schalen«, las er laut. »Ist das zu glauben? Nach all der Zeit?«
»John ist neu«, sagte Toni. »Das ist gebrannter Ton«, erklärte sie ihm. »Wenn man es richtig macht, hält das Zeug ewig.« Toni war eine geschmeidige, dunkelhäutige Frau von bemerkenswerter Sorglosigkeit. Hutch hatte sie vor vier Jahren von Sol mitgebracht, zusammen mit ihrem Ehemann. Den Gerüchten zufolge war sie vielleicht ein bisschen zu sorglos, jedenfalls hatte er aufgegeben und wollte zurück nach Hause, wogegen Toni darauf beharrte, bis in alle Ewigkeit zu bleiben. Sie war Lastflussexpertin und zeigte stets gern, was sie konnte. Die Zeit auf Pinnacle, in der sie die Gelegenheit hatte, ihr eigenes System zu entwerfen, ohne dabei allzu sehr unter Beobachtung zu stehen, war für sie von unschätzbarem Wert.
Ihren Ehemann hatte Toni dagegen offensichtlich als entbehrlich eingestuft.
Die Kisten waren schwer, und
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