Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
Vom Netzwerk:
mit Zuckerwatte?»
    «Nein danke.»
    Gray kaufte einen Apfel, dann schlenderten sie weiter.
    «Hast du deinen Bruder schon irgendwo gesehen?»
    «Nein.»
    «Wie heißt er denn?»
    «Mason.»
    «Ich wette, dieser Mason ist ein Halunke. Was meinst du?»
    Richard lachte. Und dann fragte er schüchtern: «Was machen Sie denn hier?»
    «In Ansley? Bin auf der Durchreise. Ich fahre per Anhalter. Ich war zu Hause, und jetzt will ich zurück nach San Diego. Zum Marinestützpunkt. Ich bin Seemann.»
    Richard sah ihn sich genau an. «Seemann?»
    «Ja.»
    «Weshalb tragen Sie dann keine Uniform?»
    «Die ist hier drin», sagte er und zeigte auf seinen Seesack. «Ich genieße es, eine Zeitlang Zivil zu tragen. Aber versteh mich nicht falsch. Ich liebe die Marine. Seit ich ein kleines Kind war, wollte ich Seemann werden. Ich weiß nicht genau, warum. Bis zu meinem siebzehnten Geburtstag hatte ich das Meer noch nie gesehen. An dem Tag ging ich zur Musterung.»
    «Sie leben auf einem Schiff?»
    «Ja, auf der
Thomaston
. Das ist ein Transportschiff. Es transportiert Landungsboote. Wenn man also auf einer Insel oder so an Land gehen will, fahren wir so nah wie möglich an den Strand, und dann setzen wir die Landungsboote ab. Die sind voller Soldaten und Ausrüstung und bringen sie an den Strand. Das nennt man amphibische Operationen.»
    Richard nickte. Er aß seinen Apfel. So ein Gespräch hatte er vorher noch nie geführt. Mit einem Erwachsenen. Es machte Spaß und war aufregend.
    «Ich habe einen tollen Job», sagte Gray. «Im Maschinenraum. Ich glaube, das ist der wichtigste Job überhaupt. Es ist so, als ob wir Kerle da unten im Herz des Schiffes arbeiten würden. Als würde das Schiff sterben, wenn wir es nicht am Leben halten würden.»
    Richard sah, wie Mason und seine Freunde vorbeigingen. Er war froh, dass Mason ihn nicht gesehen hatte.
    «Hast du noch Brüder und Schwestern?», fragte er Gray.
    «Nein. Nicht dass ich wüsste. Weißt du, ich bin von meinen Großeltern großgezogen worden. Ich weiß gar nicht, wo meine Eltern jetzt sind.»
    «Sind deine Großeltern nett?»
    «Oh ja, sie sind wunderbar. Und deine Eltern? Sind die in Ordnung?»
    Richard nickte.
    «Womit fährst du am liebsten?», fragte Gray.
    «Hm – der Breakdancer.»
    «Und hast du Lust?»
    «Da war ich schon.»
    «Wie wär’s dann mit Riesenrad?» Zufällig standen sie genau davor.
    «Okay.»
    Am Kartenhäuschen suchte Richard in der Tasche nach Geld.
    «Nichts da», sagte Gray, «ich lad dich ein.»
    Seinen Seesack gab er einem Schausteller mit riesigem Schnurrbart, dann stiegen sie in ihre Gondel. Richard hatte ein komisches Gefühl im Magen, als sie in die Höhe stiegen. Über die Bäume hinweg, die den Jahrmarkt umgaben. Sie sahen die Lichter der Stadt und dahinter ein großes dunkles Nichts.
    Als das Rad anfing, sich richtig zu drehen, war Richard aber ganz begeistert. Mit Gray machte das viel mehr Spaß als mit Mason.
    Gray brachte ihm ein Lied bei. Über die Marine.
Ganz tiefer Süden, achterner als dwars, nimm die Marine und steck sie in den ganz tiefen Süden, achterner als dwars …
Das Lied war praktisch, denn es hatte kein Ende. Man konnte einfach immer weiter singen.
    In weiter Ferne zuckte ein Blitz, in seinem Licht sah man große schwarze Wolken. Kurz darauf donnerte es.
    «Sieht nach Gewitter aus», sagte Gray.
    «Glauben Sie, dass der Blitz hier einschlagen kann?»
    «Ach was, das Gewitter ist noch viel zu weit weg.» Und dann fragte er: «Wie ist das denn passiert? Mit dem Unfall?»
    Richard zuckte wieder mit den Schultern.
    «Wer ist gefahren?»
    «Mein Dad.»
    «War es ein Zusammenstoß mit einem anderen Wagen? Oder nur das Auto von deinem Dad?»
    «Nur das Auto von meinem Dad.»
    «Aber dein Dad ist nicht verletzt.»
    Richard schüttelte den Kopf. Die Fahrt war zu Ende. Gray holte seinen Seesack, und sie gingen durch die drängelnde Menschenmasse.
    Ein kühler Wind kam auf, man merkte, dass das Gewitter nicht mehr weit entfernt war.
    Sie gingen an einem Zelt vorbei. Auf dem Schild stand: MADAME LISA SAGT IHNEN DIE ZUKUNFT VORAUS . Abgebildet war eine attraktive junge Zigeunerin, die in eine Kristallkugel schaute.
    «Wie sieht’s aus?», fragte Gray. «Wollen wir Madame Lisa die Chance geben, uns unsere sauer verdiente Knete abzuluchsen?»
    «Okay.»
    Sie gingen durch einen rasselnden schwarzen Perlenvorhang.
    Das Innere des Zeltes wurde nur von drei Kerzen beleuchtet. Madame Lisa saß an einem kleinen Tisch. Sie war ziemlich

Weitere Kostenlose Bücher