Hyänen
noch immer Seemann.»
«Er ist eine harte Nuss, Gina», sagte Norman. «Ich habe mir auch schon die Zähne daran ausgebissen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass er ein gefährlicher Gangster ist, auf der Flucht vor dem Gesetz.»
Sie bestellte noch einen Drink. January brachte das Essen. Für Gina Red Snapper vom Grill. Norman redete, während sie und Luke aßen. Gray trank Bier und hörte zu. Und die ganze Zeit sah er sie an. Er hatte interessante Augen, blaugrau. Ruhig. Und auch ein wenig traurig. Was sollte das wohl heißen, dass er einerseits Seemann war, andererseits auch wieder nicht?
Sie hatte Norman schon länger nicht mehr zugehört, aber offenbar hatte er gerade etwas zu ihr gesagt.
«Verzeihung?»
«Er hat dich gefragt, wo du aufgewachsen bist, Mom.»
«Offensichtlich nicht in Oklahoma. In New York? Oder New Jersey?»
«Wir sind oft umgezogen. Ich bin an vielen Orten aufgewachsen.»
«Sie ist eine harte Nuss», sagte Norman zu Gray.
Durch den dichten Nebel gingen sie zurück zum Motel. Sie hatten die Alejo Avenue für sich allein.
«Weshalb hat Norman einen steifen Nacken?», fragte Luke.
«Er sagt, das wäre vor ein paar Jahren bei einem Motorradunfall passiert», sagte Gray. «Er ist auf dem Pacific Coast Highway mit hundertdreißig Sachen aus der Kurve geflogen.»
«Norman auf dem Motorrad», sagte Gina. «Da kriegt man ja richtig Angst.»
«Vielleicht hat er sich die Geschichte auch nur ausgedacht. Ich glaube, er hat eine blühende Phantasie.»
«Heißt das, Sie sind gar kein Gangster auf der Flucht?»
Er schüttelte den Kopf.
«Und wenn es so wäre, würden Sie es mir nicht erzählen.»
«Genau. Das wäre ein Verstoß gegen die Gangsterregeln.»
Der Nebel schien ihre Schritte und ihre Stimmen zu dämpfen. Sie hätten die einzigen Menschen auf einer Welt sein können, die ganz im Nebel versunken war. Da tauchte vor ihnen verschwommen der pinkfarbene Schriftzug SEA BREEZE MOTEL auf.
Als sie nach dem Zimmerschlüssel suchte, glitt ihr die Tasche aus der Hand; wahrscheinlich war der Wodka Tonic schuld daran. Sie landete mit einem «Klong» auf den Betonplatten. Gray hob sie auf und reichte sie ihr.
«Was bewahren Sie da drin auf? Ziegelsteine?»
Sie hätte sagen können: Nein, eine halbautomatische Pistole und einen Beutel mit gestohlenen Diamanten. Stattdessen sagte sie nichts.
«Also, wenn Sie etwas brauchen, ich wohne drei Türen weiter. Zimmer 18 .»
«Was sollte ich schon brauchen?»
Er zuckte mit den Schultern. Er weiß es, dachte sie. Er weiß, dass wir in der Scheiße stecken.
«Na gut», sagte Gina. «Danke.»
«Gute Nacht.»
«Gute Nacht.»
«Gute Nacht, Luke.»
«Gute Nacht.»
In dieser Nacht träumte Luke von den kleinen Mädchen. Sie kamen aus dem Nebel und bewegten sich auf das Motel zu. Ihre Haut war weiß, ihre Augen schwarz und eingefallen. Als sie sahen, dass er am Fenster stand, schwenkten sie alle gleichzeitig in seine Richtung. Sie wirkten überhaupt nicht harmlos. Mit den Fäusten schlugen sie auf das Fenster ein, bis das Glas zerbrach, dann kletterten sie herein. Er floh durch die Tür aus dem Zimmer und rannte in die Dünen. Die Geister der kleinen Mädchen waren ihm auf den Fersen und liefen genauso schnell wie er. Dann verwandelte sich der Traum. Er war in einer dunklen Straße auf Long Island. Die Geister waren noch hinter ihm, aber er schien ihnen entkommen zu sein. Dann hörte er überall um sich herum flüsternde Stimmen und begriff, dass die Geister noch da waren, nur unsichtbar – in dem Moment wachte er auf.
Seine Mutter schlief in ihrem Bett. Er stand auf und ging zum Fenster. Der Nebel hatte sich verzogen, und der Parkplatz war leer.
Freitag
A nders als Jamie kümmerten ihn die Enten einen feuchten Dreck. Ein paar Dutzend lebten auf einem Teich außerhalb der Gefängnismauern neben dem Trakt mit der niedrigsten Sicherheitsstufe. Fünf Enten hatten sich angewöhnt, jeden Tag um halb zwei über die Mauern zu fliegen und am Rand des Baseballplatzes zu landen, wo Jamie schon mit einem Beutel voll Brot auf sie wartete. Er gab groteske entenähnliche Laute von sich, und sie quakten zurück und watschelten auf ihn zu, in Reih und Glied wie eine Marschkolonne. Es waren Stockenten, drei Erpel mit grünen Köpfen und zwei schmutzig braune Hennen.
Es war ein mieser grauer Tag, ein schneidender Wind wehte. Er sah, dass Jamie kicherte, als er das Brot ausstreute und die Enten angelaufen kamen.
«Was zum Teufel soll
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