Hyänen
sein.»
«Sie haben ihn angesteckt, richtig verbrannt!»
Er las den ganzen Artikel.
«Mom, was meinen die damit, dass sie sich für dich interessieren?»
«Sie glauben, dass ich ihn umgebracht habe.»
«Aber das ist doch dieser fette Kerl gewesen. Ich habe es selbst gesehen.»
«Ich weiß. Mein armer Kleiner.»
«Wir müssen ihnen sagen, was passiert ist. Guck, hier ist die Nummer des Polizeipräsidiums. Lass uns da anrufen.»
«Nein.»
«Warum denn nicht?»
«Auch wenn man unschuldig ist, können die einen ins Gefängnis stecken.»
«Ich sage denen, was ich gesehen habe. Sie werden mir glauben.»
«Ach, mein Schatz, du bist nur ein Kind. Sie werden denken, dass du lügst, um mich zu schützen. Und selbst, wenn sie uns glauben, ist das keine Lösung. Dein Vater und dein Großvater. Die sind unser Problem.»
«Wir können uns doch nicht ewig verstecken.»
«Doch, das müssen wir. Wir müssen uns ewig verstecken.»
Sie stand auf, ging zum Fenster, schob den Vorhang beiseite und sah hinaus. Als ob sie damit rechnete, dass die Cicalas und ihr Hofstaat genau in diesem Moment vor dem Motel ankämen. Vom Meer zog Nebel herüber, trieb von den Dünen auf den Parkplatz. Sie beobachtete den Nebel, voller Entsetzen bei dem Gedanken an die vielen Toten in Brady. Diese Menschen waren ermordet worden, weil sie für kurze Zeit in der Stadt gelebt hatte. Auch wenn sie selbst nicht böse war, hatte sie dem Bösen den Boden bereitet.
«Weißt du, was das Leckerste war, das ich je gegessen habe?», fragte Norman.
«Was denn?»
«Kringles.»
«Was zum Teufel sind Kringles?»
«Das sind dänische Hefekuchen. Die besten gibt es in Racine in Wisconsin. Blaubeerkringles – hmm! Es ist schon fünfzig Jahre her, aber ich kann mich immer noch an den Geschmack erinnern.»
Gray und Norman saßen im Sea Horse am Tresen und teilten sich eine Portion frittierter Mozzarellabällchen.
«Und was war das Beste, das
du
jemals gegessen hast?»
Aber Gray gab keine Antwort. Er blickte hinüber zum Eingang. Norman drehte den Oberkörper herum, um zu sehen, was dort los war.
«Aha, sie ist es.»
Gina und Luke standen am Eingang und warteten darauf, zu einem Platz geführt zu werden. January begrüßte die beiden und brachte sie zu einem Tisch.
«Mein Gott», sagte Norman, «sie ist aber auch hübsch!»
January brachte ihnen die Speisekarten.
«Möchten Sie schon etwas zu trinken bestellen?»
«Eine Cola», sagte Luke, «mit ganz viel Eis.»
«Einen Wodka Tonic», sagte Gina, «mit ganz viel Wodka.»
January lachte. «Geht klar.»
Sie studierten die Speisekarten.
«Schon was gefunden, Luke?»
«Für mich … den Piratenburger.»
«Das ist doch nur ein Hamburger. Hier gibt es Meeresfrüchte. Hast du keine Lust auf so was?»
«Nein.»
January brachte die Cola und den Drink.
«Sehen Sie die zwei Männer am Tresen?»
Gina sah hinüber. Erkannte Gray und Norman.
«Sie möchten Ihnen die Getränke ausgeben.»
«Sagen Sie ihnen, das sei sehr nett, aber –»
«Mom, das ist doch der Mann, der uns den Reifen gewechselt hat.»
«Ich weiß.»
Die beiden sahen sie erwartungsvoll an, es schien, als hielten sie den Atem an. Sie lächelte zu ihnen hinüber und formte «Danke» mit den Lippen. Die beiden wirkten zufrieden.
January nahm ihre Bestellungen auf und ging. Gina trank einen Schluck Wodka Tonic. Sie machte sich wenig aus Alkohol, aber heute hatte sie Lust zu trinken.
«Mom? Darf ich zu ihm rübergehen und hallo sagen?»
«Aber wir kennen ihn doch gar nicht.»
«Tun wir doch. Irgendwie schon. Vielleicht will er ja mit uns essen?»
«Wäre es nicht viel schöner, wenn wir beide nur zu zweit in aller Ruhe zu Abend essen?»
«Aber wir beide essen immer zusammen.»
«Ist das denn so schlimm?»
«Ach komm schon, Mom. Können wir nicht einmal etwas anderes machen?»
Sie sah ihm an, wie sehr er sich das wünschte. Etwas anderes als den Albtraum der letzten achtundvierzig Stunden und den Albtraum der letzten Jahre und den riesigen Albtraum, in den er hineingeboren wurde. In jedem Albtraum steckte wieder ein anderer, wie bei diesen chinesischen Schachteln.
«Dann müssen wir seinen Freund aber auch einladen.»
«Okay.»
«Na, dann los. Frag ihn.»
«
Ich
soll ihn fragen?»
«Es war deine Idee.»
Er saugte etwas Cola durch den Strohhalm, als würde er sich mit einem Schnaps Mut antrinken, dann ging er hinüber zum Tresen. Sie konnte nicht hören, was er sagte, aber Gray und Norman nahmen sofort ihre Getränke
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