Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
Vom Netzwerk:
Baseballschläger darin.
    «Das sieht nicht wie ein Regenschirm aus», sagte Cicala.
    «Ist es auch nicht. Das ist ein Baseballschläger.»
    «Ich weiß, dass das ein blöder Baseballschläger ist», sagte Cicala und knallte den Kofferraumdeckel zu.
    Es war erst später Nachmittag, dabei aber so dunkel, als wäre schon Abend. Sie stapften stur durch den Regen, die Hände tief in den Manteltaschen. Sie sahen genau danach aus, was sie waren: zwei Gangster bei einem Auftrag. Sie beeilten sich nicht, weil Cicala nichts davon hielt, sich zu beeilen. Die Leute könnten auf dumme Gedanken kommen, wenn man zu schnell ging. Darauf, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass man vielleicht nicht Herr der Lage war.
    Den ganzen Tag über war ihm ein Traum von letzter Nacht nicht aus dem Kopf gegangen, und jetzt fing er schon wieder an, ihn zu nerven. Er war in einem dreckigen Männerklo gewesen, der ganze Fußboden stand unter Wasser. Am Pissoir hatte er den Hosenschlitz geöffnet. Sein Penis hatte sich wie ein weiches, verfaultes Stück Holz angefühlt und war abgebrochen.
    «Hat bestimmt einer geklaut», sagte Bobby. «Irgendein Schwanzlutscher.»
    «Was redest du da?»
    «Der verdammte Regenschirm.»
    «Jemand hat sich die Mühe gemacht, einen Regenschirm aus dem Kofferraum zu stehlen?»
    «Genau. Irgend so ’n blöder Schwanzlutscher.»
    Die beiden mussten noch ein gutes Stück zu Fuß gehen. Es war ihr altes Viertel. Damals hatten ihn alle Bobby Quasimodo genannt, und manche sagten das noch immer. Er hatte als Kind eine Knochenkrankheit gehabt, und dadurch war eine Schulter zum Buckel verwachsen. Als Cicala Anfang zwanzig war, trieb sich Bobby die ganze Zeit in seiner Nähe herum und bettelte um einen Job; ein verkrüppelter kleiner Junge. Cicala sagte ihm, das könne er sich abschminken, aber eines Tages sah er, wie Bobby mit dem Wagenheber auf einen Erwachsenen einschlug, der ihn Bobby Quasimodo genannt hatte; er brach ihm beide Beine. Von da an ließ ihn Cicala immer mal wieder einen Job erledigen. Und so kümmerte sich Bobby um Aufträge aller Art, bis heute.
    Sie gingen zum Bootssteg, wo eine große blau-weiße Yacht auf sie wartete. Auf die Seite war der Name
Invictus
gemalt. Ein junger Chinese im schwarzen Anzug und mit einem Regenschirm in der Hand stand daneben und rauchte. Als er sie sah, warf er die Zigarette ins Wasser und lief ihnen über den Pier entgegen.
    «Mr. Cicala», rief er, «Sie werden ja ganz nass!»
    Er hielt den Schirm über Cicala und führte ihn zum Boot. Bobby trottete hinter ihnen her durch den Regen, aber das schien ihm nichts auszumachen.
    «Da würde man keinen Hund vor die Tür jagen», meinte er.
    Über die Gangway gelangten sie an Bord, dort brachte sie der Chinese in einen kleinen Raum. Er half Cicala dabei, den Mantel auszuziehen.
    «Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Eine Tasse Tee?»
    «Kaffee», sagte Cicala.
    Der Mann ging. Cicala und Bobby setzten sich auf eine Couch vor einem Flachbildfernseher. Gerade lief eine dieser kombinierten Ratgeber- und Werbesendungen: «In 90  Tagen zum Waschbrettbauch». Cicala spürte das Vibrieren des Motors und sah aus dem Fenster; der Pier verschwand langsam. Ein tiefschwarzer Mann in weißem Jackett brachte eine silberne Kaffeekanne und kostbare Tassen mit einem Dekor aus blauen Drachen. Außerdem hatte er Handtücher mitgebracht und reichte sie den Männern. Er schenkte Kaffee ein und verließ den Raum, ohne ein Wort zu sagen. Cicala trocknete sich das Gesicht und die kümmerlichen Reste seiner Haare ab, Bobby füllte seine Tasse mit Zuckerwürfeln.
    Die
Invictus
fuhr den verregneten Fluss in südlicher Richtung zum Battery Park hinunter. In der zunehmenden Finsternis sah Cicala die Skyline von New Jersey leuchten.
    Phil war siebenundfünfzig. Er saß viel am Schreibtisch, kränkelte oft und war sportlich eine Niete, bevor er mit dem Programm begonnen hatte. Aber dann verlor er in gerade einmal neunzig Tagen zwanzig Kilo Fett und baute zehn Kilo Muskeln auf. Seine Frau fand, er habe den Körper und die Energie eines Fünfundzwanzigjährigen. Der Regen beeinträchtigte offenbar selbst den Satellitenempfang: Phils schlanker Körper fror ein, dann zerbrach er in eine Unzahl leuchtender digitaler Würfel, die sich in nichts auflösten.
    Der Chinese kam zurück. Mr. Li würde Mr. Cicala nun empfangen.
    Er war schon einmal hier gewesen, aber es blieb ihm ein Rätsel: Für ein Schiff war dieser Raum eigentlich viel zu groß. Mr. Li saß hinter

Weitere Kostenlose Bücher