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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
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sein.»
    «Wie machst du das eigentlich? Ohne Wagen? Fährst du per Anhalter?»
    «Manchmal. Ich gehe viel zu Fuß. Ab und zu miete ich einen Wagen, oder ich nehme ein Flugzeug.»
    «Schon irgendwelche Pläne, was du mal arbeiten willst?»
    «Im Moment nicht.»
    «Ich klinge jetzt bestimmt wie deine Mutter, aber was willst du denn mit dem Rest deines Lebens anfangen? In Parks um Bäume tanzen?»
    «Dabei kann man wenigstens nichts falsch machen.»
    «Und wovon willst du leben?»
    «Ich habe etwas gespart.»
    «Ich wusste gar nicht, dass Seeleute so gut bezahlt werden.»
    «O doch, man verdient ziemlich gut.»
    «Offenbar gebe ich keine Ruhe, bevor ich alles über dich weiß.»
    Er lächelte ein wenig. «Das geht mir mit dir genauso.»
    Sie schwiegen. Sahen sich an, so, wie sie zuvor die Wolken und die Berge angesehen hatten. Dann schauten sie wieder weg.
    Sie nahm einen Schluck Wein und seufzte. «Verdammt, ich trinke zu viel, seitdem ich dir und Norman begegnet bin.»
    «Willst du es mir nicht einfach sagen, Gina?»
    «Was sagen?»
    «Wovor ihr beiden davonlauft, Luke und du.»
    «Wie kommst du darauf, dass wir weglaufen?»
    «Das sieht doch jeder. Ich hab’s sofort gewusst, als ich euch das erste Mal gesehen habe.»
    Sie antwortete nicht.
    «Vielleicht kann ich euch helfen.»
    «Wie stellst du dir das vor?»
    Er zuckte mit den Achseln. «Manchmal hilft es, einfach darüber zu reden.»
    Sie sah zu ihm hoch. Eine Brise vom Meer zerzauste ihre Haare. Ihr Blick konnte durchdringend sein. Abwechselnd fixierte sie das linke und das rechte Auge ihres Gegenübers.
    «Woher soll ich wissen, ob ich dir trauen kann?»
    «Vertraust du dir selbst?»
    «Ja.»
    «Dann frag einfach deine Instinkte, was sie dir über mich sagen.»
    Wieder wurde die Tür zur Seite geschoben. Es war Luke.
    «Norman fragt, ob wir vielleicht Scrabble spielen wollen.»
    Gina guckte skeptisch. «Ich weiß nicht. Ich kann nicht mal Hund buchstabieren.»
    «H-U-N-T», sagte Gray. «Komm schon, das wird lustig.»
    «Wirklich, Mom. L-U-S-T-I-G.»
    «O-K.»
     
    Es hatte aufgehört zu regnen. Auf dem Weg zurück zum Auto wichen sie den Pfützen aus, die sich auf dem Bürgersteig gebildet hatten. Cicala war tief in Gedanken. Er sehnte sich schmerzlich zurück in eine Zeit, die es wahrscheinlich nie gegeben hatte – als alles noch ganz einfach gewesen war. Plötzlich sah er, dass Bobby einen zusammengerollten Regenschirm bei sich trug.
    «Was ist das denn?»
    «Ein Regenschirm.»
    «Natürlich ist das ein Regenschirm! Wo hast du den her?»
    «Chuck hat ihn mir gegeben. Er gehört ihm.»
    «Wer zum Teufel ist Chuck nun wieder?»
    «Dieser Chinese. Der auf uns gewartet hat, erinnerst du dich?»
    «Ein Chinese, der Chuck heißt?»
    «Ja. Er ist in Ordnung. Ein Fan der Jets, da staunst du, was? Er weiß alles über sie. Zum Beispiel, wie viele Touchdowns Mark Sanchez geworfen hat, als er in der dritten Klasse war.»
    «Jetzt haben wir also einen Regenschirm. Und es hat aufgehört zu regnen.»
    «Dafür haben wir dann einen Schirm, wenn es das nächste Mal regnet. Wenn er nicht wieder geklaut wird.»
    Sie kamen wieder beim Lincoln an. Es machte ein zirpendes Geräusch, und die Scheinwerfer blinkten, als Bobby die Türen öffnete. Cicala seufzte.
    «Diese verdammten Schlitzaugen. Bald gehört ihnen hier alles.»
     
    Sie standen auf dem Balkon. Gray sah sie an, mit seinen ruhigen, graublauen Augen.
    «Frag einfach deine Instinkte, was sie dir über mich sagen.»
    Sie antwortete nicht sofort.
    «Warum hast du mich gestern nicht geküsst? Ich habe drauf gewartet.»
    «Ich wollte schon.»
    «Bist du schüchtern? Angst vor Frauen?»
    Er nahm sie in die Arme. Er war überhaupt nicht schüchtern. Dann küsste er sie, genau so, wie sie gern geküsst wurde. Aber Moment mal. Das würden sie nicht tun, wenn Luke und Norman dabei sind. Die beiden könnten sie durch die Glastür beobachten.
    Natürlich waren Luke und Norman nicht da. Sie waren einkaufen gegangen. Sie wollten ein ganz besonderes Dessert besorgen und würden deshalb eine halbe Stunde unterwegs sein.
    Sie war nackt. Sie lag in dem heißen Wasser ihrer Badewanne im Motel. Sie dachte daran, wie Gray die Glastür geöffnet hatte. Wie sie hineingingen. Sie wusste, bald würde sie seinen nackten Körper wiedersehen, mit all diesen schlimmen Narben. Seinen schlanken, verwüsteten, wunderschönen Körper.
    Als sie aus dem Badezimmer kam, war Luke schon eingeschlafen; im Fernsehen lief ein alter Film von Alan Ladd. Sie

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