Hyänen
lassen. Und Mr. Li müsste dann mit dem Vorstand sprechen. Wer zum Teufel das auch war, falls er überhaupt existierte. Mr. Li tat so, als sei er nur ein Rädchen im Getriebe, aber manchmal hatte Cicala den Verdacht, dass er allein das Sagen hatte und der Vorstand nur eine Erfindung war, hinter der er sich versteckte.
Das alles machte längst nicht mehr so richtig Spaß. Im Wasser um Pat Cicala schwamm Blut, und die Haie kamen näher und näher. Man kam kaum noch dazu, in Ruhe sein Geld zu verdienen, sondern musste die ganze Zeit aufpassen, dass man nicht mit dem Arsch im Gefängnis landete. Vielleicht sollte er ein neues Leben anfangen. In seiner Phantasie war es längst Realität. Er würde hinüber in das Schlafzimmer seiner Frau gehen und feststellen, dass sie friedlich im Schlaf gestorben war. Dann würde er Todt Hill zusammen mit Luke und Eliana verlassen und nach Palm Beach ziehen. Palm Beach hatte ihm schon immer gefallen. Dort lebten sie dann in einem Haus, dessen Fenster und Türen immer offen standen, eine warme Brise wehte vom Meer, im Hintergrund hörte man ein Glockenspiel. Es würde ihm bald wieder bessergehen, er bekäme enorme Erektionen und würde mehrmals am Tag mit Eliana schlafen. Und Luke würde heranwachsen, groß und stark werden –
Er roch einen widerlichen Gestank und dachte im ersten Moment, er selbst sei das gewesen, aber dann hörte er Smitty im Schlaf furzen. «Verdammt noch mal, Smitty!», schrie er, aber er war gar nicht wütend, und Smitty furzte und schnarchte weiter. Er sah auf die Uhr. Es war 3 : 09 Uhr.
Der Hund stand neben dem Bett und fixierte Gray. Wartete darauf, dass er aufwachte. Schon seit fünf Minuten stand er da. Er musste mal und wollte Gassi gehen. Außerdem hatte er Hunger. Gray atmete jedoch weiter tief und gleichmäßig. Schließlich gab er es auf und ging weg.
Er ging in die Küche und schnupperte an seinem Fressnapf. Als ob durch einen magischen Trick plötzlich etwas zu fressen aufgetaucht sein könnte, seitdem er das letzte Mal daran geschnuppert hatte.
In aller Ruhe und mit trippelnden Krallen durchquerte er die ganze Länge des Wohnzimmers. Er spürte, dass das Haus im Wind ein wenig schwankte. Die ganze Nacht schon pfiff der Wind um die Ecken des Hauses, brummte, stöhnte und zischte, und wenn er verstummte, dann nur, um kurz darauf von neuem das Haus durchzupusten und beben zu lassen. Er ging zur Glastür, die auf den Balkon hinausführte. Blieb stehen und sah hinaus. Mit dem guten Auge.
Alles, was er sehen konnte, war Himmel. Im Westen verschwand ein letzter leuchtender Stern. Im Osten entzündete sich langsam, aber unaufhaltsam das Morgenlicht.
Auf ihren Reisen war es meistens andersherum. Aber jetzt war Bulgakov wach, und Markus Groh schlief.
Sie flogen erster Klasse. Bulgakov saß am Gang und reinigte seine Fingernägel mit einem Zahnstocher. Groh hatte den Sitz so weit wie möglich zurückgekippt, sein Kopf war zur Seite gerollt.
Er machte ein leises Geräusch, und Bulgakov sah zu ihm hin. Da war das Geräusch schon wieder.
Oh.
Ein Muskel in seiner Wange zuckte. Und dann etwas lauter:
Oh! Oh!
Bulgakov sah ihm belustigt zu. Den Zahnstocher steckte er in den Mund und kaute darauf herum. Groh atmete jetzt schnell und flach.
Ohhhhh!,
machte er, dann zuckte er mit einem lauten
Ochh!
zusammen und wachte auf.
Er wirkte benommen, sah erst aus dem Fenster, dann zu Bulgakov.
«Oh, Dima, ich hatte einen schrecklichen Traum.»
Sein Blick wirkte, als wäre er ganz weit weg.
«Ich ging durch einen Wald und traf dort einen alten Mann. Er saß zu Füßen eines Baumes. Ein kleines Mädchen saß auf seinem Schoß, sie hatte die Arme um seinen Hals gelegt. Erst habe ich gedacht, der Mann würde schlafen, aber dann erkannte ich, dass er tot war. Maden krochen über sein Fleisch, und das kleine Mädchen fing an, sie aufzusammeln. Dabei sang sie ein Lied, ein Kinderlied. Während sie die Maden aufsammelte und wegwarf. Dann sah sie mich an und lächelte, und ich begriff, dass sie wahnsinnig war. Oh, Dima, ich hatte solche Angst! Ich bin, so schnell ich konnte, durch den Wald gelaufen. Dann hörte ich eine Stimme, eine kräftige, dröhnende Stimme, sie klang wie die Stimme Gottes und sagte:
Wer ohne Mitleid ist, der wird kein Mitleid erfahren!
Dann bin ich aufgewacht.»
Bulgakov sah ihn an. Kaute auf seinem Zahnstocher.
«Was hat das wohl zu bedeuten, Dima?»
«Überhaupt nichts. Blödsinn.»
«Ich glaube, manche Träume sind etwas Besonderes.
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