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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
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kleine Mädchen, das auf dem Schoß des widerwärtigen alten Mannes saß. Und dann diese Worte:
Wer ohne Mitleid ist, der wird kein Mitleid erfahren!
Das war nun wirklich eine klare Warnung.
    Er war nicht so wie Dima. Dima genoss den Akt selbst. Groh ging es eher um die Jagd, nicht um das Töten. Diesen Kick konnte er sich bestimmt auch anders verschaffen.
    Zum Beispiel, indem er Luke rettete. Ihn einfach vor Cicala und dem System verschwinden ließ.
    Es gäbe einen Ort, eine Insel im Südpazifik, abseits der gängigen Routen. Sie gehörte einem australischen Milliardär, den er kannte. Er hatte sie weitgehend unberührt gelassen, ein wahres Paradies. Es gab nur eine kleine Stadt, um die wenigen Touristen zu versorgen, denen er einen Besuch erlaubte, die meisten davon Freunde. Groh hatte oft davon geträumt, sich dorthin zurückzuziehen. Er könnte eine Kneipe aufmachen, das Happy Jack’s. Ein Hawaiihemd tragen und mit den Touristinnen flirten. Luke und er würden dort so glücklich sein. Geld spielte keine Rolle, er hatte einen ganzen Batzen auf geheimen Konten auf den Cayman-Inseln in Sicherheit gebracht.
    Dem System würde sein Verschwinden nicht gefallen, ein solcher Rückzug aus dem aktiven Dienst. Eines Tages würde man ihn finden, so wie er schon viele andere gefunden hatte. Oder auch nicht. Vielleicht waren Luke und er für dieses riesige System so unbedeutend, dass sie ihnen entwischen könnten und in Ruhe und Frieden auf ihrer paradiesischen Insel leben würden.
    Er saß mit dem Buch im Sessel, die Finger blätterten durch die Seiten. Er lächelte ein wenig. Waren das nur Luftschlösser oder der Beginn großer Veränderungen? Das ließ sich noch nicht sagen.
    Es klopfte an der Tür. Er legte das Buch aus der Hand, griff nach der Pistole. Es war nur Bulgakov, der wieder besser aussah.
    «Nu davai»
, sagte er.
«Davai naydiom etich yobarei.»
    Komm schon, schnappen wir uns die Mistkerle.
     
    Norman hatte viele Bücher. Gray stöberte durch seine Sammlung. Zog dann eins mit einem interessanten Titel heraus.
Wanderer.
    Geschrieben hatte es der Schauspieler Sterling Hayden. Gray kannte ihn nur in zwei Rollen: als General Jack D. Ripper in
Dr. Seltsam
und als korrupter Polizeicaptain in
Der Pate
.
    Er nahm das Buch und ein Glas Limonade und ging hinaus auf die Terrasse. Setzte sich in einen Sessel im Schatten.
    Das Buch war zum Teil autobiographisch und berichtete von einer Reise, die Hayden 1959 auf seinem Zweimaster
Wanderer
im Pazifik unternommen hatte.
    Erzähl mir nichts von Selbstfindung. Hoffnung gibt es nur, wenn du dich verirrst.
    Er las zwanzig Minuten darin. Das Buch gefiel ihm, er wurde aber trotzdem müde.
    Er nahm einen Schluck Limonade.
    Im Augenwinkel registrierte er eine Bewegung. Zwei Mäuse mit weißen Pfoten rannten an einem Kaktus vorbei.
    Es war so still, dass leise Geräusche plötzlich laut wirkten. Die sirrenden Flügel eines Kolibris, der über einige Blüten schwebte. Das Schwanken der Palmwedel im Wind. Das Summen eines Insekts.
    Im blauen Himmel trieben einzelne Wolkenfetzen dahin. Es wurde immer heißer. Ein Sperber ließ sich mit der Thermik gleiten.
    Passt auf, ihr Mäuse.
    Er sah zu, wie der Sperber seine Kreise zog. Das erinnerte ihn an die Möwen, die er am Morgen gesehen hatte. Sehr merkwürdig. Vielleicht waren es gar keine Möwen gewesen, vielleicht war alles nur Einbildung.
    Die Augen fielen ihm zu. Er wanderte. Ließ sich treiben. Zog Kreise. Zusammen mit dem Sperber und den Möwen.
    Er hörte ein Geräusch und öffnete die Augen.
    Gina kam auf die Terrasse. Sie nahm sich einen Sessel und zog ihn ratternd über die Steinplatten, stellte ihn neben Grays Sessel. Sie setzte sich hin und sah ihn an.
    «Also dann», sagte sie, «schieß los.»
     
    Einen Monat nachdem er die Highschool beendet hatte, war er zur Armee gegangen. Es gefiel ihm sofort. Er war ein Vorzeigesoldat. 1994 wurde er als Teil der Operation Uphold Democracy nach Haiti geschickt. Sein Auftrag: die bösen Jungs rausschmeißen und durch gute ersetzen. Es passierte nicht viel. Die Demokratie zu verteidigen war langweilig. Seine Einheit und er verließen nur selten das Lager. Sie flüchteten vor der Hitze in den Schatten, rauchten und spielten Karten, und sie beobachteten die verlotterten Haitianer auf der anderen Seite des Zauns.
    Er begann, sich nachts alleine fortzuschleichen, wenn die anderen schliefen. Ging, nur mit einer Pistole bewaffnet, in die üblen Slums von Port-au-Prince. Nicht dass er die Waffe

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