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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Daten aus dem Netz gesucht und eine Simulation programmiert, die er auf seinen Systemen durchrechnen ließ. Das Ergebnis hat er mir als Film geschickt.«
    Auf dem Bildschirm erschien eine schlichte Karte, auf der ein blaues, geschwungenes und zerstückeltes Band umrandet von grünen Flächen zu erkennen war.
    »Das hier ist die Elbe auf der Höhe, wo der Fuß gefunden wurde«, erklärte Tom. Er deutete auf einen roten Punkt. »Genau dort. Da oben rechts siehst du Uhrzeit und Datum.« Er startete den Film. Nun wurden im Fluss viele kurze und lange Streifen sichtbar wie auf einem Strömungsfilm bei der Wettervorhersage. Datum und Uhrzeit begannen, rückwärts zu laufen.
    »Die grauen Kästen, die sich auf der Elbe bewegen, sind die großen Frachter und Tanker«, sagte Tom. »Er hat alle ihre Daten mit eingebaut, da sie die Strömungen im Fluss beeinflussen.«
    Der rote Punkt bewegte sich aus der Bucht heraus und wackelte in Richtung der Flussmitte. Dann steuerte er ein Stück landeinwärts, verharrte scheinbar, bis er schließlich flussabwärts trieb.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Juli.
    »Das sind die Effekte der Tide«, sagte Tom. »Man sollte meinen, dass der Fuß lediglich den Fluss hinab in Richtung Nordsee geschwommen ist. Das würden wir hier, weil wir es rückwärts betrachten, als eine Bewegung landeinwärts sehen. Aber je nachdem, in welcher Tiefe der Fuß geschwommen ist und welche Strömung er erwischt hat, kann es sein, dass er bei auflaufender Flut wieder landeinwärts gespült wurde. Immer wieder ein Stück hinunter, dann wieder ein Stück hinauf. Das geht noch eine Weile so weiter, wie du siehst.«
    »Aber letzten Endes …«
    »Ja, letztlich ist er natürlich nicht den Fluss hinaufgetrieben, sondern kam aus Richtung der Stadt. Hier, der Film ist gleich zu Ende; und dort kommt die Stelle, die für uns interessant wird, bis dahin hat er es berechnet.«
    Juli beobachtete, wie sich der rote Punkt nach seinen zahlreichen pendelartigen Bewegungen einem Ufer näherte und schließlich dort stehen blieb. Es war aber nicht das südliche Elbufer. Stattdessen war es das Ufer einer schmalen Landzunge, die sich inmitten der Elbe befand.
    »Da. Das ist der berechnete Ausgangsort«, sagte Tom. »Neßsand.«
    »Diese Insel?«
    »Vom Beachclub aus kann man sie sehen, und man denkt immer, es sei das gegenüberliegende Ufer der Elbe. Aber es ist in Wahrheit die Insel. Das westliche Ende, das man von dort sehen kann, heißt Hans-Kalb-Sand. Der Teil, wo der Fuß herstammt, liegt weiter flussaufwärts, und das ist Neßsand.«
    »Was macht ein Fuß auf der Insel?«
    Tom nickte. »Und mehr noch: Was macht überhaupt irgendetwas dort? Denn Neßsand ist ein gesperrtes Naturschutzgebiet. Außer Bäumen und ein paar Vögeln dürfte es dort gar nichts geben. Und die Wasserschutzpolizei patrouilliert da regelmäßig.«
    »Was aber auch bedeutet, dass es ein gutes Versteck ist«, überlegte Juli.
    »Ja, richtig. Und dann ist mir noch etwas anderes eingefallen. Im Pathologiebericht war die Rede davon, dass sich im Schuh Pappelblätter befunden hatten. Okay, es ist eine ziemlich schwache Spur, aber immerhin, ich habe es überprüft, und auf Neßsand wachsen tatsächlich Pappeln, und zwar nicht zu knapp.«
    »Nehmen wir an, die Berechnungen stimmen«, sagte Juli. »Dann gibt es doch im Grunde nur eins, was wir tun können.« Sie sah Tom an, und der hob eine Augenbraue. Sie war schnell. Und mutig.
    »Man bräuchte ein Boot …«, tastete er sich vor, nicht sicher, ob sie die gleiche Idee hatte wie er.
    »Ein möglichst kleines mit einem möglichst leisen Motor«, bestätigte Juli, »das nachts von einer unbeobachteten Stelle aus übersetzen kann.«
    »Womit man sich natürlich eine Menge Ärger einhandeln könnte …« Er sah sie fragend an. Aber Juli blieb ungerührt.
    »Nur, wenn man sich erwischen lässt.«
    Sie trafen sich abends um halb elf auf dem Parkplatz des Wendehammers in der Nähe der alten Fabrik. Die Gebäude waren um diese Uhrzeit längst verwaist, nur einzelne Lampen auf dem Fabrikgelände warfen noch ein spärliches Licht. Hier war nahezu dunkles, menschenleeres Niemandsland, zwischen der Großstadt Hamburg und der weiter westlich liegenden Ortschaft Wedel. Die wenigen Menschen, die hier arbeiteten, Fabrikarbeiter und Büroangestellte, waren spätestens um sechs schon gegangen, auch Putzkolonnen waren inzwischen fort. Wachleute gab es hier keine.
    Als Juli ihren Wagen abstellte, sah sie Tom schon auf sie warten.

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