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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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durch ein Färbebad, sondern von innen heraus, wie auch immer das möglich sein sollte. Es sieht in jedem Fall unnatürlich aus. Mir sind keine biologischen Prozesse bekannt, die so etwas bewirken könnten.
    Beim Essen war mir aufgefallen, dass sich Susan bei den Gesprächen sehr zurückgehalten hat. Vielleicht wollte sie ihren Status als Campleiterin deutlich machen. Aber sonst ist sie eigentlich immer ganz zugänglich. Sie hat immer wieder Blicke mit Dr. Paulsen und Brian gewechselt. Die beiden sind schon genauso lange im Camp wie sie, und ich habe das Gefühl, dass sie sich über irgendetwas Gedanken machen, etwas wissen.
    Ich muss herausfinden, was ihrer Meinung nach dahintersteckt.
Löwenstraße, Eppendorf, Hamburg, 21. Juli
    Juli klingelte kaum zwanzig Minuten, nachdem er sie angerufen hatte. Tom betätigte den Summer und öffnete seine Wohnungstür. Er hörte, wie sie die hölzerne Treppe des Altbaus hochstieg.
    »Dritter Stock«, rief er hinunter.
    Sie erschien wie schon am Tag zuvor in einer Jeans und einer kurzen Jacke. Nach dem gestrigen Verlust war es nun eine Lederjacke im gleichen Farbton wie ihr Haar. Juli trat in den Flur und sah sich um. Tom wusste, dass seine Wohnung keinen sonderlichen Eindruck machte. Gemeinsam mit Anne waren die meisten Gegenstände verschwunden, die den Ort wohnlich gestaltet hatten. Die Staubfänger, wie er sie nannte: Bilder, Stehlampen, Vasen, Dekostücke. Er brauchte all das weder zum Arbeiten noch zum Fernsehen oder zum Schlafen. Jetzt, zum ersten Mal seit einem Jahr, vermisste er die ganzen Sachen. Nicht um ihretwillen, sondern weil er schätzte, dass das Aussehen seiner Wohnung Juli als ein Abbild seines Innenlebens vorkommen könnte. Jedenfalls würde er selbst so denken. Und aus Gründen, die ihm selbst nicht ganz klar waren, wollte er ihr gegenüber einen möglichst positiven Eindruck machen.
    »Schön, dass du so schnell kommen konntest«, sagte er und führte sie zügig ins Wohnzimmer, das von allen Räumen noch am ehesten eingerichtet aussah.
    »Setz dich doch«, sagte er und wies auf das Sofa an der Wand. Auf dem Couchtisch davor hatte er sein MacBook aufgebaut. »Möchtest du einen Kaffee?«
    »Klar«, gab sie zurück, setzte sich aber nicht, sondern trat an das Fenster und blickte auf die Baumkronen.
    »So ein Kaffeepad?«, rief er aus der Küche.
    »Nur zu!«, erwiderte sie und sah sich im Raum um. Die spartanische Möblierung sagte ihr, dass Tom vermutlich nur selten Besuch hatte oder einfach keinen Wert auf eine umfangreiche Ausstattung legte. Vielleicht beides. Der polierte Holzbohlenboden und die ordentlich restaurierten Stuckelemente an der Decke verrieten ihr, dass die Wohnung frisch saniert und keinesfalls billig war. Also hätte es sich der Journalist sicher auch leisten können, die Wohnung etwas herzurichten. Aber es wirkte alles irgendwie trostlos. Oder vielleicht war einsam das richtige Wort. Aber lieber das als eine verspielte Junggesellenbude, in der zwischen den Stapeln dreckiger Wäsche noch der Pappkarton der Pizza vom letzten Abend, das Vorlesungsverzeichnis der Uni, ein Mopedhelm und eine Playstation lagen. Dieser hier war ganz offensichtlich wenigstens erwachsen.
    »Milch, Zucker?«
    Juli folgte der Stimme und trat in seine Küche. Wie sie erwartet hatte, war sie ebenso leer wie alles andere. Ein paar Tassen standen auf der Spüle, und auf dem Boden ragten einige leere Bierflaschen aus einem Karton heraus.
    »Beides.«
    Tom schreckte auf, als sie plötzlich neben ihm stand.
    »Danke«, fügte sie hinzu, als sie die Tasse entgegennahm.
    »Ich weiß, sieht aus, als wäre ich gerade erst eingezogen«, sagte er.
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Aber du hast es gedacht.«
    Sie ging zurück ins Wohnzimmer. »Jeder trägt seine eigene Geschichte mit sich herum. Das ist ganz normal. Und gut so.«
    Sie lächelte, setzte sich auf das Sofa und lehnte sich zurück.
    »Also«, sagte sie nach einem ersten Schluck, »was hast du herausgefunden?«
    Tom nahm in gebührendem Abstand neben ihr Platz und klappte den Rechner auf.
    »Ich hätte es auch am Telefon erzählen können, aber es ist toller, wenn man es sich ansieht«, erklärte er, während er die notwendigen Programme startete. »Ein Bekannter von mir ist Computerexperte bei Airbus und beschäftigt sich mit Partikelsystemen und Strömungsberechnungen für die Aerodynamik. Nach unserem Essen hatte ich ihn angerufen und ihm von unserer Fragestellung erzählt. Daraufhin hat er sich noch gestern Abend alle

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