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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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bewegen, als sich der Waldboden erhob. Und dann löste sich aus dem Boden eine Gestalt, krabbelte wie eine Spinne aus dem Loch, erhob sich zur Hälfte und lief in die Finsternis des Waldes. Eine weitere Gestalt erschien, dann eine dritte, schließlich eine vierte. Sie alle hielten sich nicht auf, sondern rannten und stolperten eilig und so gut es ihre Körper zuließen in den Wald.
    Der Indio blieb noch einen Moment zurück, als wolle er sicherstellen, dass keine weitere Gestalt dem Erdloch entstieg. Oder vielleicht wollte er auch prüfen, ob Tom und Juli die Szene gesehen hatten. Er machte noch eine unbestimmte Geste zu ihnen hinüber, dann wandte er sich ebenfalls ab und verschwand im Wald.
    »Was war denn das?«, fragte Tom.
    Juli machte einen zögerlichen Schritt. »Die sind auch aus der Anlage geflohen! Bestimmt hat er uns hergeführt, weil er wusste, dass es heute Nacht geschehen würde.«
    Tom folgte Juli, und gemeinsam gingen sie zu der Stelle, aus der die Gestalten gekommen waren. Aus der Nähe erkannten sie, dass es weit mehr als nur ein Erdloch war. Der Boden war in großem Umfang aufgewühlt. Eine gewaltige Menge von Erde, die ringsherum verstreut und zu beträchtlichen Haufen aufgeworfen war, ließ erkennen, dass das Loch von dieser Seite aus geschaufelt worden war. Es war eine geplante Befreiungsaktion, kein zufälliger Ausbruch gewesen.
    »Wenn das hier so gezielt organisiert wurde, wie es aussieht«, überlegte Tom, »dann haben die drei auf dem Gelände vielleicht nur für eine Ablenkung gesorgt. Während sie vorgaben zu fliehen, konnten andere durch einen geheimen Tunnel entkommen.«
    »Auf die Gefahr hin, dass sie sterben würden?«
    »Überleg mal: Wir haben es hier mit entsetzlich Verkrüppelten, Entstellten zu tun. Erinnere dich an den Toten im Wald heute Morgen. Wenn diese Anlage für ihre Leiden verantwortlich ist, möchten sie vielleicht lieber sterben, als noch länger dort zu bleiben.«
    »Und sie opfern sich füreinander auf …«
    Tom kniete sich vor die rabenschwarze und wenig einladende Öffnung. »Wenn dieser Tunnel wirklich bis zu der Anlage führt, dann muss er unglaublich lang sein … Was machen wir jetzt?«
    »Vermutlich haben wir nur eine Möglichkeit, auch wenn sie mir überhaupt nicht gefällt …«
    »Mir auch nicht«, gab Tom zu und stand wieder auf. »Aber wir müssen es versuchen. Und zwar sofort. Bevor der Ausbruch und der Tunnel entdeckt werden. Bleib hier, ich hole meine Kamera.«
    Kurz darauf war er wieder da, schraubte ein kurzes Objektiv auf und hängte sich die Tasche um. »Lass mich voran«, sagte er. »Wir können das Licht meiner Kamera verwenden, damit wir nicht in völliger Dunkelheit herumtasten müssen. Ich hoffe, der Akku hält es ein paar Minuten lang aus.«
    Er ging auf alle viere und schaltete das Licht ein. Der Tunneleingang gähnte vor ihnen wie ein Schlund, etwa einen Meter im Durchmesser. Der intensive Geruch feuchter Erde stieg vor ihm auf, und Tom musste unwillkürlich an ein frisch ausgehobenes Grab denken. Um nichts in der Welt würde er üblicherweise in so eine finstere und enge Höhle kriechen. Aber gerade erst waren vier Menschen hier herausgekommen, also musste es möglich sein. Und es war der einzige Weg.
    Er kroch voran. Als er kurz darauf in dem engen Gang verschwunden war, überkam ihn eine plötzliche Welle von Panik. Der schwache Schein seiner Kamera verlor sich an der nächsten Biegung der unregelmäßigen Röhre. So würde es nun fünfzig oder hundert Meter weitergehen. Über und um ihn bedrängte ihn das nasse Erdreich, der Gang konnte immer enger zusammenrücken, die Luft würde knapp werden, und es gab vielleicht keine Möglichkeit, zu wenden und umzukehren. Sie könnten ersticken oder stecken bleiben, der Waldboden über ihnen konnte nachgeben und sie lebendig begraben.
    »Ich bin da«, hörte er Julis Stimme hinter sich. »Kannst weitergehen.«
    Langsam krabbelte Tom weiter, versuchte, seine furchtbaren Gedanken zu verdrängen.
    »Willst du was Verrücktes hören?«, sagte Juli. »Ich habe so was noch nie gemacht!«
    Tom musste lächeln. »Ach, tatsächlich nicht? Nun, dann wird’s aber Zeit. Früher bin ich immer so zur Schule gegangen.« Er hoffte, dass sein Scherz kein Zittern in seiner Stimme verriet.
    »Ich doch auch!«, gab Juli zurück. »Aber nicht um diese Uhrzeit.«
    Julis Stimme klang amüsiert und wärmte Tom für einen Moment. Er wünschte sich, dass er ebenso unbeschwert sein könnte. Aber der Gang schien schmaler

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