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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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etwas bewegen. Der Mörtel, der sie einmal zusammengehalten hatte, war entfernt worden.
    »Wir sind da«, sagte er. »Hier ist eine Mauer aus losen Steinen. Jemand hat das Loch wieder verschlossen.«
    »Ist es zugemauert?«
    »Nein, ich glaube, man hat die Steine einfach nur wieder reingesetzt, um das Loch zu verbergen.« Er schaltete die Kamera aus und betastete die Wand an der oberen Kante, um eine geeignete Stelle zu finden. »Ich werde versuchen, einen Stein rauszuziehen.«
    »Sei vorsichtig!«
    Tom fand eine schmale Kante, die er greifen konnte, und rüttelte an dem Stein, der sich so millimeterweise herausarbeiten ließ. Nach einer Weile ging es immer leichter, und schließlich konnte er den Stein herausziehen.
    Gedämpftes Licht drang aus der Lücke, ebenso wie ein Schwall der übel riechenden Luft. Tom schlug eine Hand vor Mund und Nase.
    »Puh, ist das widerwärtig«, stieß er hervor.
    »Kannst du etwas sehen?«, fragte Juli leise.
    Tom drückte sein Gesicht in die obere Kante des Gangs und bemühte sich, durch die Lücke zu gucken. Aber viel war nicht zu erkennen. Sie befanden sich auf Bodenhöhe, und offenbar stand ein hochbeiniges Gestell direkt an dieser Stelle. So sah er nur Teile eines Metallrahmens über ihm und erahnte einen großen, hallenartigen Raum dahinter, der nur stellenweise von kärglichem Neonlicht erhellt wurde.
    »Da versperrt etwas die Sicht«, erklärte er. »Aber ich kann auch die anderen Steine rausziehen, ohne gesehen zu werden.«
    Er begann damit, die Steine nach und nach zu entfernen. Als das Loch ausreichend groß war, schob er sich mit dem Oberkörper hindurch und legte die verbleibenden Steine auf den Boden unter dem Gestell. Dann war es geschafft, und er krabbelte hindurch. Er blieb auf allen vieren unter dem Gestell und sah sich um.
    Der bestialische Gestank erfüllte den Raum, und das Heulen, Klagen und Schreien schien von überall und nirgendwoher zu kommen. Etwas war hier, nur Bewegungen konnte er von hier unten nicht ausmachen. Er krabbelte ein Stück weiter und sah, dass Juli ihm aus dem Loch folgte.
    Sie kamen unter dem Gestell hervor. Tom half Juli auf die Beine, und als sie sich aufgerichtet hatten, brach das Chaos um sie aus.
    Lautes Gekreische ertönte, und von allen Seiten tauchten mit einem Mal aus dem Zwielicht und den Schatten Kreaturen auf, hüpfend, rennend, schlurfend, als würde sich der ganze Raum in Bewegung setzen. Alles brüllte und schrie und stürmte auf Juli und Tom zu. Tom streckte seinen Arm vor Juli, als könne er sie beschützen, Juli ergriff ihn an der Schulter.
    »Mein Gott«, keuchte Tom. Die Wesen, die sie angriffen, waren Menschen. Aber sie bewegten sich wie Tiere. Ihre größtenteils nackten und mit Fäkalien und Blut verdreckten Körper waren missgestaltet und verwachsen, mit schuppigen Flechten und Pusteln bedeckt, einige hatten verkrüppelte oder aufgedunsene Gliedmaßen, sie geiferten und spuckten. Diese Menschen schienen keinen Funken Verstand mehr zu haben, sie wurden nur noch von Schmerzen beherrscht und von ihren Instinkten getrieben. Sie würden sie mit bloßen Händen und Zähnen zerreißen.
    Aber die Wesen kamen nicht näher.
    Sie prallten in einiger Entfernung an Gitterstäbe, klammerten sich fest, rüttelten, brüllten und streckten ihre Arme hindurch.
    Der gewölbeartige Raum, in dem sie sich befanden, war in zahlreiche große und kleine Zellen unterteilt, die mit bis zur Decke reichenden Gittern voneinander getrennt und verriegelt waren. Überall waren Menschen eingepfercht; missgebildete, kranke, irrsinnige, und sie verkamen in ihrem Dreck.
    Doch als Tom nach und nach alle Details erfasste, stellte er mit Schrecken fest, dass sich keinesfalls alle Angreifer in sicherer Entfernung hinter Gittern befanden. Er und Juli waren in einer ebensolchen Zelle herausgekommen, wie sie überall zu sehen waren. Und ein halbes Dutzend Entstellter befand sich hier, direkt bei ihnen, und sie kamen kreischend und stöhnend näher.
    Als der erste der Angreifer seinen Arm nach Tom ausstreckte, zerrte Juli Tom an der Schulter zurück. Der oberste Knopf seines Hemdes riss ab, und plötzlich blieb der Angreifer stehen.
    Tom sah direkt in seine weit aufgerissenen Augen, erfasste die geplatzten Äderchen, die blutig entzündete Bindehaut, sah die eitrigen Pickel auf Stirn, Wange und in den Mundwinkeln, roch den käsig-fauligen Atem des Mannes, der plötzlich innegehalten hatte.
    Ein laut grunzendes Geräusch entwich den aufgesprungenen Lippen des

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