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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Krämpfen der durch die Hochspannung erzeugten Muskelkontraktionen.
    Die Wachmänner riefen den beiden Nackten etwas zu, das Tom nicht verstand. Aber als er sich die Bewaffneten näher ansah, erkannte er einen von ihnen wieder.
    »Da ist der Brasilianer«, sagte er zu Juli. »Der kahlköpfige von der Insel und der uns am Flughafen gefolgt war!«
    Juli schwieg. Zu sehr nahm sie das Geschehen gefangen. Wenngleich sie ohne Zuhilfenahme des Teleobjektivs keine Details ausmachen konnte, sah sie doch genug, um ihr Herz stocken zu lassen.
    »Hier, willst du mal sehen?«, sagte Tom und bot ihr die Kamera an. Aber Juli lehnte ab. Dieser Brutalität hilflos zusehen zu müssen, war schlimm genug, da wollte sie nicht noch näher heran.
    Tom sah, dass die beiden Nackten vor den Wachleuten zurückwichen. Die Männer hatten zwar ihre Waffen auf sie gerichtet, wollten sie aber offenbar nicht erschießen. Wieder riefen sie etwas, aber die beiden wichen nur Schritt für Schritt zurück, die Frau mit sicheren Schritten, während der Angeschossene deutlich schwankte, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Sie ergriff ihn an der Hand und zog ihn.
    Die Bewaffneten kamen nun näher, redeten auf die beiden ein, aber diese wichen abermals zurück, und plötzlich ging alles ganz schnell. Die Frau riss den angeschossenen Mann mit so unmenschlicher Kraft herum, dass er fünf Meter voran stolperte, in den Zaun stürzte und sich unwillkürlich mit seiner funktionierenden Hand daran festklammerte.
    Wie sein unglücklicher Kamerad zuvor brach er in gellende Schreie aus, als der tödliche Strom durch seinen Körper brandete.
    Die Männer stürzten nun vor, wollten etwas unternehmen, aber im selben Augenblick wandte sich auch die Frau um, machte zwei Sätze und sprang in den Zaun. Mit weit ausgestreckten Armen krallte sie sich fest. Ein tiefes Stöhnen entrang sich ihrer Kehle im Todeskampf. Wie eine Gekreuzigte hing sie im Elektrozaun, während ihr Körper einen geradezu blasphemischen, zuckenden Tanz aufführte.
    Tom, der kurz zuvor noch einige Male auf den Auslöser gedrückt hatte, legte mit zitternden Fingern die Kamera beiseite. Kalter Schweiß lief über seinen Rücken. Er ging in die Knie, stützte sich auf beiden Händen auf und erbrach sich.
    Er brauchte eine Weile, bis er sich gefangen hatte und Julis Hand auf seiner Schulter spürte. Die Rufe der Wachleute hörte er nur gedämpft.
    »Sie haben sich lieber selbst getötet«, brachte er hervor, »als sich den Männern zu ergeben …«
    »Wir sind hier«, sagte Juli an seinem Ohr, »um diesem teuflischen Treiben ein Ende zu setzen.«
    Tom nickte nur erschöpft.
    »Wir müssen es«, sagte Juli. »Wir sind hergeführt worden. Und wir können etwas verändern.«
    Langsam richtete Tom sich auf. »Ja … nur was? Was können wir gegen eine solche Anlage ausrichten? Flutlichter, Bewegungssensoren, Stacheldraht, Elektrozaun, bewaffnete Wachleute … Das ist eine Hochsicherheitsanlage, vielleicht militärisch. Wer auch immer das hier betreibt, weiß verdammt gut, wie er sich zu schützen hat. Die Fotos allein nützen uns nicht viel.«
    »Vielleicht finden wir doch noch Hinweise, wem das hier gehört. Irgendwo gibt es vielleicht Schilder, vielleicht Autos oder Mülltonnen mit Adressetiketten.«
    Tom schüttelte den Kopf. Er wollte gerne glauben, dass es so leicht war, aber solche Recherchen in der Großstadt waren etwas anderes als hier draußen im Nirgendwo, an einer hermetisch abgeschirmten Anlage, die von Kriminellen betrieben wurde.
    Ein leiser Ruf ertönte hinter ihnen aus dem Wald.
    Als sie sich umsahen, blickten sie in die Dunkelheit und erkannten erst gar nichts. Dann schälte sich die Gestalt des Indios aus der Schwärze. Der diffuse Schein der entfernten Flutlichter erhellte ihn stellenweise. Er stand nur wenige Meter entfernt. Nun sahen sie, was sie schon den ganzen Tag vermutet hatten. Er war ebenso verkrüppelt und verformt wie die anderen Gestalten, die sie gesehen hatten. Die Rippen stachen kränklich aus seinem Brustkorb hervor, der Bauch war angeschwollen, seine Haltung war gebeugt, als sei seine Wirbelsäule verkrümmt. Er stand da und wies mit seinem Speer ein Stück beiseite. Allerdings war er schräg auf den Boden gerichtet.
    Tom und Juli wussten nicht, ob sie zu ihm gehen sollten, und zögerten, als sie eine Bewegung ausmachten, dort, wo der Indio hinzeigte. Die schmalen Lichtfinger, die vom gleißenden Leuchten der Scheinwerfer bis hierher drangen, schienen sich zu

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