Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
Vom Netzwerk:
aus bestem englischem Tweed, eine dunkle Cordhose und einen hellen Rollkragenpullover aus feinstem Cashmere.
    Doch all das war es nicht, was dazu führte, dass sich plötzlich die Atmosphäre im Raum veränderte. Sensiblere Naturen verspürten vielleicht ein Flirren in der Luft, die kaum merklich zu vibrieren begann, andere einen Anflug von Kopfschmerz.
    Stanislaw, gewohnt, dass seine Erscheinung Aufsehen erregte, füllte in aller Ruhe das Anmeldeformular aus, während Igors buschige Rute immer heftiger auf den Marmorboden klopfte. Erst als Joanna und Tomas direkt vor ihm standen und Igor an Joanna hochsprang, blickte er auf.
    Wortlos fielen sie sich in die Arme und hielten sich aneinander fest, als wären sie verloren, sobald sie sich losließen. Joanna löste sich als Erste aus der Umarmung und sah ihrem Vater ins Gesicht.
    »Ist alles gut?«, fragte sie lächelnd.
    Er stutzte. »Ja«, sagte er dann, »alles ist gut.« Langsam wandte er sich um und betrachtete den jungen Mann, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte.
    »Stanislaw, das ist Tomas Bagoly«, sagte Joanna.
    Stanislaw ergriff die dargebotene Hand. »Danke, dass Sie sich um Joanna gekümmert haben, Tomas. Sie hat mir am Telefon berichtet, wie viel sie schon in der kurzen Zeit über Bukarest erfahren hat. Bukarest ist jedoch nur der Ausgangspunkt unserer Reise, morgen fahren wir weiter in Richtung Transsylvanien, zu unserem eigentlichen Ziel.«
    Tomas neigte den Kopf. Seine Körperhaltung wirkte respektvoll, obwohl Stanislaw spürte, welche Gelassenheit sich dahinter verbarg. Er musterte ihn genauer. Die äußere Ähnlichkeit mit seiner Tante beschränkte sich auf wenige Details und war insgesamt zu seinen Gunsten ausgefallen. Was an Ewa grob, fast männlich wirkte, verlieh seinen fein geschnittenen Zügen besonders im Profil etwas Energisches, das Stanislaw gefiel.
    »Meine Tante hat mich gebeten, einen sicheren Einstellplatz für Ihren Jaguar zu finden«, sagte der junge Mann. »In der Hotelgarage hier wird Ihr ›Mark II ‹ bestens aufgehoben sein. Wir kennen den Garagisten, der sich gegen ein Entgelt persönlich dafür verbürgen wird. Für die Weiterreise nach Transsylvanien biete ich Ihnen das bequeme Geländefahrzeug an, mit dem ich Joanna bisher chauffiert habe.«
    »Ist dieser Wagen voll einsatzfähig für eine solche Reise?« Stanislaw sah Tomas fest in die Augen.
    »Aber ja. Erst heute habe ich ihn in der Werkstatt nochmals überprüfen lassen. Sie können also ganz unbesorgt sein.« Tomas erwiderte Stanislaws Blick, bis er die Augen niederschlug.
    »Wie kommen Sie zurück nach Klausenburg?«
    »Ich habe meinen eigenen Wagen in der Hotelgarage abgestellt, und eigentlich wollte ich morgen früh zurückfahren, aber auf Wunsch meiner Tante soll ich mich für Sie und Joanna weiterhin zur Verfügung halten, falls Sie mich brauchen.«
    »Das ist sehr fürsorglich von Ihrer Tante, wird aber nicht nötig sein.« Stanislaws Ton war knapp, und Joanna runzelte die Stirn.
    Ewa verstand sich auf Magie, sie gehörte zu den ungefähr viertausend in Rumänien tätigen Hexen, deren Durchschnittseinkommen bis zu fünf Mal höher war als das der übrigen Bürger dieses Landes, wie sie Stanislaw anvertraut hatte. Dass ihre Hexenkünste kein fauler Zauber waren, wusste er, er hatte sich selbst davon überzeugen können.
    Ob sie zu den schwarzen oder zu den weißen Vertreterinnen ihrer Zunft gehörte, hatte er bisher nicht herausgefunden. Sie schien sich nie genau festlegt zu haben, eine Vorstellung, die ihn amüsierte. Joanna würde das bestimmt anders sehen.
    »Graf Stanislaw …?« Die ruhige Stimme von Tomas holte ihn aus seinen Erinnerungen. »Ich möchte mich jetzt verabschieden. Da Sie mich nicht mehr brauchen, werde ich morgen sehr früh losfahren.«
    »Ja, natürlich. Nochmals vielen Dank.« Stanislaw nahm den jungen Mann beiseite, während Joanna leise zu Igor sprach und ihre Hände immer wieder durch das dichte Fell strichen. Er zog ein Kuvert hervor und drückte es Tomas in die Hand. »Bitte nehmen Sie das. Mit Ewa war keinerlei Honorierung für Ihre Tätigkeit verabredet, sie wollte das mir überlassen. Ich habe Ihre Tante gefragt, was junge Universitätsprofessoren hier verdienen, schändlich wenig für das, was sie nach den Jahren der Diktatur an intellektuellem Wiederaufbau leisten. Zieren Sie sich also nicht und verhalten Sie sich ausnahmsweise mal wie ein Kapitalist.«
    Tomas sah Stanislaw an und starrte dann auf das Kuvert. »Joanna hat

Weitere Kostenlose Bücher