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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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Anwesenheit haben wird.«
    »Falls das auch für Ihren Hauptdarsteller gilt«, ergriff Stanislaw das Wort, »nehmen wir das Angebot gern an.«
    Ohne auf Stanislaws Erwiderung zu reagieren, bat Maria um einen Moment Geduld, sie wolle sich etwas Wärmeres überziehen. Als sie mit einer wetterfesten Daunenjacke bekleidet wieder in der Tür des Wohnwagens auftauchte, schien die Mittagspause schon vorbei zu sein, denn immer mehr Mitarbeiter der Filmcrew versammelten sich oben auf dem Schlossberg. Manche von ihnen kamen zu Fuß heraufgestapft und nahmen den Aufstieg als mehr oder weniger freiwillige Fitnessübung, andere kamen in Jeeps angefahren.
    Aus einem der Geländewagen sprang ein untersetzter älterer Mann, in dem Joanna und Stanislaw den Regisseur Radu Nicolescu erkannten.
    »Wie schön, dass Sie gekommen sind«, strahlte er sie an, »hat Maria sich gut um Sie gekümmert?«
    »Es hätte nicht besser sein können«, versicherte Stanislaw. »Ihre Regieassistenin wollte uns gerade während der Mittagspause einen Teil des Schlosses zeigen. Aber wir sind wohl etwas zu spät dran, denn Sie werden weitermachen wollen. Wäre es nicht besser, wenn wir jetzt gehen?«
    »Es kommt nicht in Frage, dass Sie uns schon wieder verlassen, wo Sie doch gerade erst hier eingetroffen sind«, rief Nicolescu mit seinem dröhnenden Bass. »Ich habe Sie eingeladen, und Sie sind meine Gäste. Ich muss nur noch …« Er sah sich um. »Maria, weißt du, ob Vadim schon zurück ist?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie in so kühlem Tonfall, dass Joanna der jungen Rumänin einen raschen Blick zuwarf.
    »Nun«, Radu Nicolescu zuckte mit den Schultern, »die Mittagspause ist noch nicht ganz vorbei, er wird sicher demnächst hier sein. Also kommen Sie mit, aber geben Sie acht auf die Stufen!«
    Es war ein berechtigter Ratschlag, denn obwohl nur ein kurzer Aufstieg vom Plateau des Schlossbergs bis zum Eingangsportal führte, waren die Stufen steil und unregelmäßig und durch die feuchtkalte Witterung unangenehm glitschig. Stanislaw hielt Joanna fest an der Hand, bis sie oben angekommen waren. Erst als er sie losließ, wurde ihr bewusst, wie sehr sie seine Fürsorge inzwischen genoss.
    Der Regisseur eilte voraus, dicht gefolgt von Joanna. Nur Stanislaw ließ sich Zeit. Nachdem sie mehrere schmale Gänge durchquert und weitere abgewetzte Stufen erklommen hatten, blieb Radu Nicolescu vor einer offenen Tür stehen, die zu einem der Turmzimmer führte. Er ging hinein und trat ans Fenster. »Sehen Sie nur, welche Aussicht!«
    »Ich kenne diesen Blick«, sagte Stanislaw gelassen.
    Joanna rieb nervös die Hände gegeneinander, doch ihr Vater ließ sich nicht beirren. »Wie ich Ihnen schon erzählt habe, stammen meine Vorfahren aus dieser Gegend.«
    In den dunklen Augen des Regisseurs funkelte es interessiert. »Sie kennen die Burg? Das hätten Sie mir sagen sollen. Dann hätte ich Sie nicht hier heraufbemüht.«
    »Ich selbst bin nur einmal hier gewesen und das vor langer Zeit. Meine Tochter hingegen kennt nichts vom Land ihrer Väter, und sie wollte mehr darüber erfahren. Deshalb sind wir Ihnen beide dankbar für Ihr Entgegenkommen.«
    »Das Land ihrer Väter …«, sprach Nicolescu die Worte langsam nach. »Eine etwas altmodische, aber auch sehr schöne Formulierung. Heutzutage gibt es leider nicht mehr so viele Menschen, die damit noch etwas anzufangen wissen.«
    »Sie haben recht, Radu«, war Joannas ruhige Stimme zu hören, »das ist schade. Ich selbst gehöre ja zu einer ganz anderen Generation, aber ich möchte trotzdem wissen, woher ich komme.« Sie senkte den Blick, als sie spürte, dass sie errötete. »Damit ich besser verstehe, wer ich bin«, setzte sie verlegen hinzu.
    Von der offenen Tür kam ein schwaches Geräusch. Jemand hatte leise in die Hände geklatscht. »Was für kluge Worte von einer so jungen Frau«, sagte eine samtene Stimme.
    Alle drei fuhren herum und starrten der Gestalt entgegen, die reglos auf der Schwelle stand.
    Ein hitziges Kribbeln breitete sich von Joannas Bauchnabel bis in ihre Haarspitzen aus und ließ ihr Gesicht erglühen. »Wie lange …«, stammelte sie, »ich meine, wie lange stehen Sie schon dort?«
    Ohne Eile ging Vadim auf die kleine Gruppe zu. »Lange genug jedenfalls«, sagte er lächelnd und blieb dicht vor Joanna stehen.
    Radu übernahm die Vorstellung.
    »Sie sind Ungar, Graf?«, erkundigte sich Vadim, als Stanislaws Name genannt wurde.
    »Ganz recht«, bestätigte dieser steif. Seitdem der

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