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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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Geländefahrzeug, während Igor sie von hinten mit heraushängender Zunge anhechelte.
    »Sieh es einmal so, Joanna: die Menschen hier haben sonst nichts, wovon sie leben können, der Verkauf dieser Scheußlichkeiten ist ihre einzige Einnahmequelle.«
    Sie betrachtete ihn ungläubig. »Ausgerechnet du sagst das? Ein erstaunlicher Sinneswandel.« Kopfschüttelnd legte sie den Gurt an, bevor er den Motor startete. »Und wohin jetzt? Was steht als Nächstes auf dem Programm?«
    Ihm entging nicht, dass sie mit ihren Gedanken anderswo war. Er legte die Hand auf ihren Arm, doch sie versteifte sich. Er sah auf die Uhr. »Es ist jetzt halb vier, und bis wir nach Poiana Brasov fahren, haben wir noch ein paar Stunden Zeit. Ich schlage vor, wir kehren ins Hotel zurück. Während ich einige Telefonate erledige, könntest du dich ein bisschen in der Altstadt umsehen, vielleicht nimmst du Igor auf einen Spaziergang mit. Und dann wirst du dich auf den Abend vorbereiten wollen.«
    Sie nickte wortlos. Eine Weile fuhren sie auf der holperigen Landstraße in Richtung Brasov, bis sie unvermittelt fragte: »Wieso hast du eigentlich mich entscheiden lassen, ob wir die Einladung annehmen?«
    »Weil diese Reise mein Geschenk an dich ist. Ich möchte, dass du sie genießt, so gut es geht, und dazu gehört, dass du die Dinge tust, die dir Freude machen.«
    Sie schwieg erneut. »Bei der Begegnung mit Vadim hast du nicht versucht, meine Gedanken zu lesen«, murmelte sie. »Warum nicht?«
    Er sah sie von der Seite an. »Joanna, das ist eine ziemlich alberne Frage. Glaubst du im Ernst, ich würde wegen einer solchen Belanglosigkeit …«
    »Belanglosigkeit nennst du das?«, unterbrach sie ihn. »Der Superstar des rumänischen Films, der gerade erst letztes Jahr den silbernen Bären in Cannes gewonnen hat, lädt uns als völlig Fremde in sein Haus ein, damit wir an der Abschlussparty nach den Dreharbeiten teilnehmen, und du tust, als wäre das eine Provinzveranstaltung?«
    »Joanna«, sagte er und hob begütigend die Hände vom Steuerrad, »das mag ja alles sein, nur sind wir doch ursprünglich aus ganz anderen Gründen hierhergekommen. Da kommt dein plötzliches Interesse an der Welt des Films etwas überraschend für mich.«
    Besänftigt senkte sie den Kopf und streckte die Beine aus. »Wir wissen eben vieles noch nicht voneinander.« Sie langte nach hinten. Igor schleckte ihre Fingerspitzen ab. »Hör auf damit«, drohte sie ihm scherzhaft, »sonst nehme ich dich nachher nicht mit auf den Spaziergang.«
    Igor muckste sich nicht mehr. Mit sicherer Hand lenkte Stanislaw den Wagen inzwischen durch den Nachmittagsverkehr und nahm Kurs auf die Altstadt von Brasov. »Soll ich euch dort irgendwo rauslassen?«
    »Nein, ich fahre mit dir zum Hotel zurück. Ich brauche erst mal einen heißen Tee, bevor ich mich wieder nach draußen wage.«
    Leichter Nieselregen hatte sich über die Scheiben gelegt, und bei den sinkenden Temperaturen drohten vereiste Straßen.
    »Stanislaw, ich bin gespannt, was uns heute Abend erwartet. Was genau ist dieses Poiana Brasov?«
    Er seufzte. »Poiana Brasov ist ein Gebirgskurort, etwas, das es zu meiner Zeit noch nicht gab. Heutzutage nennt man so ein künstlich geschaffenes Gebilde wohl ein ›Resort‹, aber damals gab es dort nur wunderschöne Almen auf einem Hochplateau, mit Viehzucht und Landwirtschaft.«
    Erwartungsvoll sah sie ihn an, und er fuhr fort: »Ende des 19 . Jahrhunderts wurden die ersten Villen und Hotels erbaut. Der Adel und die Mitglieder des aufkommenden wohlhabenden Bürgertums siedelten sich dort an, und bald galt es als schick, in Poiana Brasov ein Feriendomizil zu haben.«
    »Woran sich wohl nichts geändert hat«, stellte sie nachdenklich fest. »Und dann?«
    »Während des kommunistischen Regimes kamen ein paar Parteibonzen, aber sonst war dort nicht viel los. Das änderte sich erst nach dem Sturz von Ceaus¸escu und den anderen osteuropäischen Diktatoren durch die Öffnung zum Westen und später auch zur EU . Investorengruppen aus ganz Europa entdeckten Ziele wie Poiana Brasov, und ein Hotel nach dem anderen entstand. Inzwischen wird der Ort als eine Art St. Moritz Rumäniens betrachtet, was sicher gewaltig übertrieben ist. Auf jeden Fall hat sich dieser Schauspieler eine sehr reizvolle Umgebung für sein Feriendomizil ausgesucht.«
    Joanna krauste die Stirn. »Du hast also keine Ahnung, wie es inzwischen da oben aussieht.«
    »Ich weiß nur, was ich im Reiseführer gelesen habe.«
    Sein Handy

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