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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Kollektiv, auf jeden Fall vertickte er am nächsten Morgen den Rigips an den Direktor des Freizeitparks und lud Sanytsch und Slawik zu einem Gespräch ein. Sanytsch wurde von Depressionen gequält, aber er riß sich zusammen und machte sich auf den Weg. Als letzter tauchte Slawik auf, er war gefaßt und sah streng aus. Goga bemühte sich, ihm nicht in die Augen zu sehen. Die Kanonenstiefel standen immer noch auf dem Tisch, Goga wußte wohl einfach nicht, wohin damit. Sie setzten sich. Schwiegen eine Weile. – Darf ich? – Slawik meldete sich wie ein Schüler. – Bitte sehr, – gestattete Goga zuvorkommend. – Lassen sie mich beginnen, Georgi Dawydowytsch, – fing Slawik an. – Ich hab uns die Suppe eingebrockt, also ist es auch an mir, das Projekt zu retten. – San Sanytsch sah ihn entsetzt an. – Ich verstehe, – sagte Slawik, – wir alle haben Fehler gemacht. Sie sind neu in diesem Business, und ich hab vielleicht nicht immer richtig aufgepaßt. Lassen wir das. Keine Schuldzuweisungen, – sagte Slawik mit einem Blick auf Sanytsch. – Aber noch ist nicht alles verloren. Ich habe immer noch einen Trumpf im Ärmel. Ja, – sagte er, – gleich kommen sie. – Wer? – fragte Goga entsetzt. – Die Bokins!
    Und Slawik erzählte von den Bokins. Die Stripperinnen vom Pionierpalast hatten sie ihm empfohlen. Das Bokin-Duett – Vater und Sohn – waren Zirkusclowns, vor einigen Monaten aber, wegen finanzieller Probleme, mit denen der städtische Zirkus zu kämpfen hatte, den Einsparungen zum Opfer gefallen und widmeten sich jetzt ihrer Solokarriere, wie Slawik es formulierte. Seinen Worten zufolge hatten sie ein geiles Showprogramm, eineinhalb Stunden, mit Musik, akrobatischen Einlagen und Kartentricks. Slawik setzte voll auf die Bokins, sie waren seine letzte Chance.
    Dann kamen die Clowns. – Bokin Iwan Petrowytsch, – stellte sich Bokin senior vor und drückte Goga und San Sanytsch die Hand. – Bokin Petja, – grüßte der Sohn, war aber zu schüchtern, um jemandem die Hand zu drücken. Goga forderte sie auf, sich zu setzen. – Also, – begann Bokin senior, nahm die Brille ab und polierte sie mit dem Taschentuch. – Ich habe gehört, in welcher Lage Sie sich befinden. Petja und ich können Ihnen, glaube ich, helfen. – Was haben Sie denn für ein Programm? – interessierte sich Goga. – Wir sind eine Distanzie, – sagte Iwan Petrowytsch. – Dynastie, – verbesserte ihn Petja. – Ja, – stimmte Iwan Petrowytsch zu. – Wir sind eine Zirkusdynastie, seit neunzehnhundertsiebenundvierzig. Damals wollte meine Schwester auf die Zirkusfachschule. – Und, hat sie es geschafft? – fragte Goga. – Nein, – antwortete Iwan Petrowytsch, – also, der Zirkus liegt uns im Blut. Damit Sie es wissen, junger Mann, ich selbst kam neunzehnhundertdreiundsiebzig auf den zweiten Platz beim Republikwettbewerb junger Estradenkünstler in Krementschuk. Mit meiner Nummer »Afrika, Kontinent der Freiheit« habe ich beim überregionalen Agitatorentreffenin Artek neunzehnhundertachtundsiebzig richtig Furore gemacht. Nein, – widersprach Iwan Petrowytsch sich plötzlich selbst, – es war neunundsiebzig. Ja – neunzehnhundertneunundsiebzig, in Artek! – Und für uns, – versuchte Goga sich einzuschalten, – für uns werden Sie auch »Afrika, Kontinent der Freiheit« geben? – Nein, – widersprach Iwan Petrowytsch bestimmt, – nein, junger Mann. Wir versuchen, mit der Zeit zu gehen. Petja und ich haben ein gemeinsames Programm, eineinhalb Stunden, jede weitere Stunde kostet extra, Einnahmen – Ausgaben, alles offiziell, alles legal. Das Honorar kann auch überwiesen werden, dann kommen zehn Prozent Bankgebühren dazu. – Okay, – sagte Goga, – kapiert. Aber kennen Sie unsere Spezifik? – Was für eine Spezifik denn? – fragte Iwan Petrowytsch und warf Slawik einen unzufriedenen Blick zu. – Wir sind ein Schwulenklub, – sagte Goga. – Ein Klub für Schwule, verstehen Sie? – Also, was haben wir für Schwule, – Iwan Petrowytsch holte ein abgewetztes, liniertes Heft aus der Sakkotasche. – Achtzig Dollar die Stunde. Plus jede weitere Stunde extra. Plus zehn Prozent Bankgebühren, – fügte er feierlich hinzu. – Haben Sie denn überhaupt schon mal mit so einem Publikum gearbeitet? – Goga zweifelte immer noch. – Ehem, ehem, – Iwan Petrowytsch räusperte sich. – Wir sind erst kürzlich auf der Weihnachtsfeier einer Consultingfirma aufgetreten. Ein solides, akkurates Publikum, kann ich Ihnen

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