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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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wirtschaftliches Wachstum. Die ideologische Sektion des ZK hat zur Waffe der unsterblichen Lehren von Marx-Engels gegriffen und verpflichtet sich, den minimalen Lebensstandard jedes einzelnen Bürgers zu heben, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, seinem Beruf oder Glauben. – Es erschien Zeichnung Nummer vier mit der Abbildung einer Kapelle, zu deren beiden Seiten ein schematisierter Priester, schematisierte Klageweiber und ein schematisierter Tamada mit Glas in der Hand dargestellt waren. – Die ideologische Sektion des ZK , – kommentierte Iwan, – kämpft entschlossen für die Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen der werktätigen Massen, wobei sie rudimentäre Erscheinungen der dunklen Vergangenheit wie Religion, Prostitution und Alkoholismus scharf verurteilt und bekämpft! – Plötzlich erschien auf der Leinwand das riesige, schnurrbärtige und unzufriedene Gesicht von Grigori Oschwanz. Das Übersetzungsbüro hatte es offenbar nicht gewagt, ihn schematisiert darzustellen, daher befand sich der ganze Monolog vom Veteranenvater direkt unter Grischas Schnurrbart. Als das bekannte Gesicht auftauchte, sank Iwan für einen Augenblick der Mut, aber er zwang sich, von neuem auf sein Blatt zu schielen. – Wir dürfen keinesfalls aufhören, wachsam zu sein, – rief er in den Saal und fixierte dabei vor allem den Vertreter der Zionisten. – Die freche Fratze des weltweiten Imperialismus drängt wieder in das Land unserer Väter! Für sie ist es nicht einfach nur ein Arbeitsplatz. Für sie ist es ein Ort von Profit und grausamer Ausbeutung. Aber die Punks von der Wall Street, die ihre Fratzen in unsere Angelegenheiten stecken – Iwans Finger zeigte energisch in Richtung Onkel Grischa – wollen wir daran erinnern: Sollte es, Gott behüte,morgen eine politische Invasion eurerseits geben, dann werden wir euch euer Grab schaufeln – auf dem mit Blut und Schweiß der Aktivisten der ideologischen Sektion des ZK getränkten Territorium. Iwan schöpfte Atem. Die Teilnehmer der Konferenz auch. Aber wie sich herausstellte, war das noch nicht das Ende. Es erschien die letzte Zeichnung, Nummer fünf. Dargestellt war ein schematisierter Heizofen, aus dem dichter schwarzer Rauch aufstieg. Neben dem Ofen standen Arbeiter und warfen Gegenstände undefinierbarer organischer Herkunft in den Ofen. Daneben waren einige Indikatoren in Prozent angegeben, wobei die Prozente unaufhörlich wuchsen. Der Vertreter der Zionisten verließ empört den Saal. Iwan war irritiert, beendete aber trotzdem seine Rede: – Mit innerem Optimismus und Glauben an eine politische Perspektive informiert die ideologische Sektion des ZK am Vorabend der Wahl über eine ständig steigende Zahl von Parteimitgliedern, vor allem über sich häufende Fälle kollektiven Beitritts von Arbeitermassen in die fest geschlossenen Reihen der Partei.
    Komm in die Partei! – schloß Iwan pathetisch, – und bringe einen Nachbarn mit!
    Oder eine Nachbarin, – fügte er aus eigenem Antrieb unsicher hinzu.
    Nach seinem Auftritt verweigerten die Mitarbeiter des Pressezentrums jeglichen Kontakt mit Iwan. Die anderen Ökumenisten bemühten sich ebenfalls, ihn nicht anzusehen, wandten ihre Augen ab und interessierten sich für das Programm des nächsten und letzten Konferenztages. Allerdings trat einälterer Mann auf Iwan zu. – Gratuliere! – rief er. – Gratuliere! Es freut mich, hier einen Angehörigen der nationalen Jugend begrüßen zu dürfen! – Iwan bemerkte sein klobiges Hörgerät und nickte. Das war hervorragend! – schrie der Mann wieder, – ganz einfach hervorragend! – Laszlo Konaschewytsch, – stellte er sich schreiend vor, – Kommissarischer Ataman der Ferencváros-Einheit der Donau-Sitsch! Ihre Höllenmaschine hat mich sehr beeindruckt! – Das ist ein Ofen, – erklärte Iwan. Ja, ja, – Laszlo Konaschewytsch hatte ihn nicht richtig verstanden, – aber dürfte ich Sie bitten mir zu erläutern, ob das auch von der Verbreitung der ukrainischen Sprache dort im russifizierten Osten zeugt? – In gewissem Maße schon, – antwortete Iwan, in gewissem Maße schon.
    Wieder zurück, ging Iwan ins Büro, übergab den Brüdern die benutzten Tickets, schenkte Onkel Sawa ein T-Shirt mit unverständlicher ungarischer Aufschrift und Onkel Grischa einen Satz chinesischer Porno-Postkarten, von der Konferenz wollte er nichts erzählen, sagte, die Ökumene entwickle sich, fuhr heim und legte sich schlafen. Gleich nach Iwan kam aus

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