Hypnose
wie das Kleine in deinem Bauch strampelt. So unbeschreiblich schön, dass mir jetzt wieder die Tränen kommen. Natürlich hatte ich dir gegenüber Skrupel, natürlich wäre es mir lieber gewesen, du hättest die Schwangerschaft im Bewusstsein einer Leihmutter erlebt, so wie wir das ursprünglich abgemacht hatten. Warum nur wolltest du unbedingt einen brisanten Artikel über das Thema schreiben? Aber die Schuld liegt bei mir, das we i ß ich. Ich kann dich nur um Verzeihung bitten, wobei ich glaube, dass du mir niemals verzeihen kannst, was ich dir, meiner beste Freundin, angetan habe. Ja, ich war brutal egoistisch. Weil mein Kinderwunsch so übermächtig war, dass ich das Gefühl hatte, mein Leben hinge davon ab, ein Baby zu haben. Ich habe nur noch an die Erfüllung meines Traumes gedacht und mir eingeredet, dass schon alles gut gehen würde.
Ich trieb die Auswanderungspläne nach Griechenland voran und kündigte zum Ende deiner Schwangerschaft hin meinen Job im Reisebüro, um ganz für dich da zu sein und nach der Geburt natürlich für mein Baby. Jannis bekam immer gr ö ß ere moralische Zweifel dir gegenüber, aber ich redete ihm ein, dass es nur zu deinem und unserem Besten ist, wenn du nichts mehr von der Leihmutterschaft we i ß t. Niemand wusste etwas davon, a u ß er uns Beteiligten. Auch nicht von unseren Auswanderungsplänen, und alle in meinem Umfeld dachten, mir sei wegen Insolvenz gekündigt worden. Eingeweiht in alles war lediglich noch Peter …
»Inkas Ehemann machte uns zunehmend Probleme. Ich hatte den Eindruck, er sei in Geldnot, weil er zum Ende der Schwangerschaft hin doch plötzlich mit Geldforderungen auf mich zukam, mit dem Argument, du hättest ja sonst gar keine Gegenleistung für deinen Einsatz bekommen. Ich schmetterte ihn aber ab, betonte, dass Inka nie Geld von ihrer Freundin gewollt habe, der Vertrag bestand, und das musste er einsehen.«
… Es wäre alles gut gegangen, wenn du die Geburt in tiefer Trance erlebt hättest. Aber da du unbedingt eine Hausgeburt wolltest, mussten Jannis und ich, als die Fruchtblase platzte, dich überreden, zu Evelyn in die Praxis zu fahren, weil es dort, allein schon durch den Ultraschall, bessere medizinische Bedingungen gab. Es war Wochenende, und Vater traf gleichzeitig mit uns in der Praxis ein. Evelyn wartete schon auf uns, wir hatten sie verständigt. Vater war bereit für seine Suggestionen. Aber du warst wegen der Schmerzen schon zu sehr auf die Geburt konzentriert und nicht mehr empfänglich für eine tiefe Hypnose.
Dann gab es Komplikationen, und wir standen kurz vor einem Kaiserschnitt. Das wäre unter den Bedingungen in Evelyns Klinik wohl durchführbar gewesen, aber mit hohem Risiko für dich und mein Baby verbunden. Ich war kurz davor durchzudrehen. Auf Evelyns Kommando hin musste ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf deinen Oberbauch legen und unter ihrer Anleitung mit dem Unterarm das Baby nach unten drücken. Mit der dritten Wehe konnte Evelyn den Kleinen herausziehen. Leander war geboren!
Gott, was war das für ein Moment, als Evelyn ihn mir nach einer kurzen Untersuchung in ein Handtuch gewickelt auf den Arm gab. Glaub mir, ich wusste nicht, wie ich mich in dieser überwältigenden Situation dir gegenüber verhalten sollte. Aus psychologischer Sicht schärfte mir Vater ein, dir das Baby keinesfalls zu geben. Deshalb zuckte ich nur hilflos mit den Schultern und ging mit Leander hinaus …
»Nach der Geburt entglitt mir die Kontrolle. Als Annabel mit dem Neugeborenen aus dem Raum ging, begann Inka zu schreien. Mehr noch als in den Stunden zuvor, in denen sie die Wehen plagten. So habe ich noch nie einen Menschen schreien gehört … Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber Vater gab mir zu verstehen, dass das bei einer so extremen Reaktion vergeblich sein würde. Nachdem Annabel wortlos mit dem Baby hinausgegangen war, ohne es Inka wenigstens einmal gezeigt zu haben, hatte sich Inkas Verstand für eine einzig mögliche Erklärung entschieden: Ihr Baby war tot.
Wir brachten Inka wegen ihres starken seelischen Traumas in die Psychiatrie, und hofften, sie würde sich unter medikamentöser Behandlung schnell erholen. Das war allerdings nicht der Fall. Inka war zwar nach einigen Tagen so weit stabilisiert, dass man sie nach Hause entließ, aber sie war im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr sie selbst. Sie verkroch sich zu Hause, gab ihren Job auf und ließ nur noch ihren Mann in ihre Nähe. Sie entwarf eine eigene innere Welt, in der
Weitere Kostenlose Bücher