Hypnose
Typ, der sich mit den Dingen abfindet«, sagte Evelyn. »Das wusste ich in dem Moment, als sie vor mir stand und sagte, sie hätte eine Leihmutter in Deutschland gefunden.«
Ja , dachte Inka. Mich . Es fiel ihr schwer, nicht vor Schmerz zu schreien. Sie rang um Beherrschung, als sie sagte: »Warum nicht in Amerika oder Russland, sogar in Griechen land ist eine Leihmutterschaft nicht verboten. Es gibt Agenturen, die Paare und Leihmütter zusammenbringen.«
»Annabel wollte nicht irgendeine Frau, die ihr Kind austrägt, keine Fremde, die anonym vermittelt wurde. Nein, meine Schwester hatte ihre beste Freundin gefragt, Inka.«
Gefragt ? Inka musste sich räuspern, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war. »Und was hat diese Inka gesagt?«
»Inka Mayer hat zugestimmt.«
»Zugestimmt?«, echote Inka. Und warum we i ß ich dann von all dem nichts mehr? Hypnose , dachte sie. Es musste unter Hypnose geschehen sein.
… Erinnerst du dich noch an den Nachmittag, Inka, als ich dir die Seiten der Agenturen im Internet gezeigt habe? Du fandest es ungeheuerlich, eine wildfremde Frau dafür zu bezahlen, ein Baby auszutragen. Wenn schon, dann sollte es jemand sein, den ich kenne und dem ich vertraue. Ich solle mir das noch mal überlegen, hast du gesagt. Was wäre, wenn es sich die Leihmutter in letzter Sekunde anders überlegte und das Kind doch behalten wollte? Denn erst, wenn die Frau nach der Geburt des Babys mit ihrer Unterschrift auf ihre Mutterschaft verzichtet, könnten Papiere auf uns, die genetischen Eltern, ausgestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt noch die Leihmutter als Mutter des Babys, weil sie es geboren hat. Und überhaupt, wie ich mir die Zeit der Schwangerschaft vorstellen würde, hast du gefragt. Zwei, drei Ultraschallbilder per Mail aus Russland oder den USA ? Nicht zu wissen, ob vielleicht etwas passiert war, wenn sich die Leihmutter mal nicht wie verabredet meldete. Du hattest recht, ich wäre durchgedreht. A u ß erdem wollte ich die Schwangerschaft nicht per Videochat und Mail erleben, sondern hautnah, wenn das Baby schon nicht in meinem Bauch wachsen würde.
Und dann habe ich so vor mich hingesagt, dass du eigentlich die perfekte Leihmutter für mich wärest. Stimmt, hast du lachend gesagt, du seiest gesund, und dein eigener Kinderwunsch hielte sich in Grenzen. Du seiest eben nicht so der Mutter-Typ, eigene Kinder würden nicht in euer Leben passen … Zuerst hielt ich das alles noch für einen Sp a ß . Eine Woche später hast du jedoch nach Gesprächen mit deinem Mann und Jannis entschieden, mir, deiner besten Freundin, meinen gr ö ß ten Wunsch zu erfüllen. Ohne einen Cent dafür zu erwarten, haben wir einen Vertrag gemacht …«
»Ja, Inka hatte zugestimmt und mit Annabel einen Vertrag geschlossen. Die Rechnung hatten die beiden allerdings ohne mich gemacht. Ich habe mich nämlich geweigert, weil ich mich nicht strafbar machen wollte. Leihmutterschaft ist in Deutschland aus gutem Grund verboten, weil die psychischen Folgen bei der Leihmutter kaum einschätzbar sind. Besonders die Hormonausschüttungen während der Geburt und in den Tagen danach sind von der Natur so eingerichtet, Muttergefühle zu wecken. Und diese Gefühle sind nun mal die stärksten unter allen Emotionen. Einer Frau in dieser Situation das Kind wegzunehmen, auch wenn das vorher vertraglich so bestimmt worden war, kann schwere seelische Schäden bei der Leihmutter verursachen.«
Ja , dachte Inka voller Hass, das ist euch gelungen. Ihr habt meine Seele zerstört. Sie musste einen Moment innehalten, bevor sie den Rapport zu Evelyn wieder aufnehmen konnte.
»Dein Atem geht ruhig und regelmäßig«, sagte sie. »Du fühlst dich wohl und verspürst ein enormes Redebedürfnis, um dich von aller Last zu befreien. Du hast dich also geweigert, an einer Leihmutterschaft mitzuwirken, aber du musst Gründe gehabt haben, schließlich doch das Gesetz zu übertreten. Was hat dich dazu bewogen?«
Es kostete Inka unbeschreibliche Kraft, die Rolle eines Hypnotiseurs nachzuahmen. Sie umklammerte ihr Handy und hielt es bei jeder Antwort in die Nähe von Evelyns Mund.
»Vater war eingeweiht, und er beschwor mich, meiner Schwester diesen Gefallen zu tun. Den Verlust unserer Mutter bei der Geburt ihres dritten Kindes hatte er nie verkraftet, und seine Angst war viel zu groß, dass auch bei Annabel irgendwelche Komplikationen auftreten könnten. Damit hatte er mich am Wickel. Vater vertrat den Standpunkt, dass eine Leihmutterschaft
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