Hypnose
nicht zum Essen die Handschellen abnehmen?«
Er lachte auf. »Sag mal, für wie blöd hältst du mich eigentlich?« Er hob sein Sektglas und tippte damit leicht gegen ihr Glas. Das feine Klirren verursachte ihr eine Gänsehaut. »Auf uns, mein Schatz …«
Unvermittelt stand er auf und nahm die gerahmte Fotografie hinter ihr von der Wand, auf der die schwangere Margitta lachend auf dem Felsen saß. Brunner stellte das Bild neben sich auf den Tisch, dass der Eindruck entstand, seine verstorbene Frau würde bei ihnen sitzen. »Und auf dich, Margitta. Darauf, dass du durch Inka zurückgekommen bist und ich jetzt wieder eine Frau und einen Sohn habe.« Er trank einen Schluck, griff danach zu seinem Besteck und hielt ihr ein Stück Fleisch vor den Mund.
Inka kniff die Lippen zusammen.
»Komm schon. Einen Bissen für Mama, einen für Papa und einen für Jonas.«
Angewidert schüttelte sie den Kopf.
»Du willst nicht?«, fragte Brunner und hob eine seiner weißen Augenbrauen an.
»Nein!«, stieß sie hervor.
»Das ist schade. Aber gut, ich will dich nicht zwingen.«
»Dann machen Sie mich bitte von den Handschellen ab.«
Er beugte sich zu ihr hinüber, und sein warmer Atem traf ihr Gesicht. »Ich habe gesagt, ich will dich nicht zwingen. Weil ich dich überzeugen werde – mit allen Mitteln.«
Verdammt. Er wollte das tatsächlich durchziehen. Andi … wo bist du? Er war der Einzige, der die Puzzleteile vielleicht noch rechtzeitig zusammensetzen könnte, um sie hier rauszuholen. Eigentlich standen ihre Chancen nicht schlecht. Eigentlich.
»Ich habe noch eine Überraschung für dich, Inka. Wir machen zusammen eine schöne Reise nach Kreta, und wer weiß, wenn es uns gefällt, bleiben wir für immer da. Gleich nach dem Essen geht es los. Zweieinhalbtausend Kilometer, durch ganz Italien, eine wunderschöne Strecke an der Küste entlang, und dann bei Brindisi mit der Fähre hinüber nach Griechenland. Wieder schön an der Küste entlang, wir besichtigen Athen, und von dort noch mal weiter mit der Fähre bis Kreta. Die Insel war Margitta und mein zweites Zuhause. Und während ich fahre, kann Jonas die Nacht über schlafen.«
»Ich werde nicht so eine wahnsinnige Strecke mit meinem Baby fahren!«
»Ach, da mach dir keine Gedanken. Kleine Kinder stecken so etwas viel besser weg als wir mit unseren alten Knochen. In gut vierundzwanzig Stunden sind wir da. Margitta und ich hatten das damals als Hochzeitsreise geplant. Wenn das kein gutes Omen ist … Und ich habe noch etwas für dich.«
Brunner ließ sie nicht aus den Augen, als er in sein Jackett griff und eine grüne Schatulle hervorholte. Sie fühlte sich von seinem Blick regelrecht festgehalten.
Er zeigte ihr die schlichten goldenen Ringe. »Wir hatten sie schon ausgesucht und mit unseren Namen gravieren lassen.« Mit einer feierlichen Geste nahm er den größeren von beiden heraus und steckte ihn sich selbst an den Finger. »Mit diesem Ring nehme ich dich, liebe Margitta, zu meiner Frau. Ich werde dich lieben, achten und ehren, in Gesundheit und Krankheit, in Reichtum und Armut, bis dass der Tod uns scheidet. Willst du mich lieben, achten und ehren, in Gesundheit und Krankheit, in Reichtum und Armut, bis dass der Tod uns scheidet, so antworte mit Ja.«
Sie zögerte. Wohl einen Moment zu lange.
Wortlos stand Brunner auf und kniete sich neben seine Haushälterin, die immer noch bewusstlos am Boden lag. Er tastete nach ihrem Puls. Sein Tun kam unvermittelt, aber es hatte etwas Rührendes, sodass Inka der Hoffnung verfiel, das Blatt könnte sich noch wenden.
»Lebt sie?«, fragte Inka vorsichtig.
»Natürlich«, sagte er. »Sie ist nur ohnmächtig. Aber das ist auch besser so für sie.«
Brunner nahm das Fleischermesser, legte Hertas Hand flach auf den Fliesenfußboden und spreizte ihr in aller Gemütsruhe die Finger. Dann setzte er die Klinge am Daumen an.
»Niiicht!«, schrie Inka und sprang auf, aber da war es schon zu spät.
Brunner hatte seiner Haushälterin die Daumenkuppe abgetrennt. Herta zuckte. Weil Inka vor Schock wie gelähmt war, hatte Brunner ein leichtes Spiel, ihr das blutige Messer an den Hals zu setzen und sie mit einer Geste aufzufordern, aufzustehen und sich neben Herta zu knien.
»Schau genau hin, Inka. Das ist wie in dem Märchen vom Struwwelpeter, das ich euch immer vorgelesen habe.« Mit der Messerspitze an ihrem Hals dirigierte er ihren Blick auf das abgetrennte Fingerglied und die Blutlache, die sich um Hertas Hand langsam
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