I love you, honey
paar Dirhams und der Dieb wird über seine Beute enttäuscht sein. Der Überfall hat mich ziemlich mitgenommen. Ich gehe normalerweise immer recht sorglos durch die Straßen. Auch habe ich mich bis jetzt immer sicher gefühlt. Aber man vergisst, dass hier Armut herrscht und ich als Europäerin ein einfaches Opfer bin.
Als ich völlig aufgelöst zu Hause ankomme, stehen sehr viele Menschen vor meiner Gartentür. Der Überfall hat sich schnell in der Nachbarschaft herumgesprochen. Ein Mann erzählt mir, dass die Nachbarn den Dieb verfolgt und gefasst haben und er sich jetzt auf der Polizeistation befindet. Die Polizei wartet bereits auf mich, denn ich soll den Mann identifizieren. Ich versuche sofort, Kamal auf dem Handy zu erreichen. Zum Glück meldet er sich und ich berichte ihm, was geschehen ist. Er wird in ein paar Minuten hier sein und mich zur Wache begleiten. Als er erscheint, sagt er mitfühlend zu mir: ,, I´m so sorry for you.“ Es tut ihm leid, dass mir das passiert ist. In schwierigen Situationen leistet er mir immer Beistand und ich kann mich auf ihn verlassen. Ein Nachbar fährt uns mit seinem Auto zu der Polizeiwache in Salé. Schnell haben wir unser Ziel erreicht und halten vor einem langgestreckten Backsteingebäude. Nachdem Kamal und ich uns beim Pförtner ausgewiesen haben, werden wir von mehreren bewaffneten Polizisten eine muffige Amtsstube geführt, wo der wachhabende Inspektor an einem kleinen Tisch sitzt. Vor ihm steht eine altmodische Schreibmaschine. Er trägt eine dunkelblaue Uniform, an der in Brusthöhe mehrere Abzeichen befestigt sind. Ihm gegenüber befindet sich eine Gitterzelle, an deren Stäbe ein junger Mann mit Handschellen gekettet ist. Er sieht sehr unglücklich aus und ich erkenne in ihm den Mann, der den Raub verübt hat. Er tut mir leid, weil er hilflos den herablassenden Blicken der Polizisten ausgesetzt ist. Letztendlich ist ja niemand zu Schaden gekommen und mir wurde nichts Wertvolles gestohlen. Die Sprühflasche entpuppt sich als leere Parfümflasche.
Der Dieb redet ununterbrochen und Kamal übersetzt mir seine Worte. Er sagt, dass der Mann mich um Verzeihung bitten möchte und ob ich die Entschuldigung annehme. Selbstverständlich bin ich bereit dazu und der Mann scheint erleichtert zu sein. Nachdem der Polizist ein Protokoll aufgenommen hat, kann ich endlich gehen. Ich bin noch einmal mit dem Schrecken davongekommen.
Unterwegs erzählt mir Kamal, dass der Mann ein Mörder ist, der vor zwei Wochen aus dem Gefängnis entlassen wurde. Wahrscheinlich muss er jetzt wieder ins Gefängnis. Durch meine Schuld, denke ich, es wäre besser gewesen, die Nachbarn hätten ihn nicht erwischt und er wäre entkommen. Hoffentlich rächt er sich jetzt nicht an mir.
Kamal begleitet mich nach Hause. Er fragt, ob er bleiben soll, aber ich möchte lieber alleine sein. Ich packe meine Bücher auf den Tisch und versuche mich aufs Lernen für mein Studium zu konzentrieren, aber es gelingt mir nicht, mich abzulenken. Hachiko scheint zu spüren, dass etwas passiert ist und leckt meine Hand besonders intensiv ab. Ein Handtaschenraub ist doch nicht so schlimm, versuche ich mich zu beruhigen, es war auch unvorsichtig von mir, eine Tasche mit mir herumzutragen. Aber ich finde den ganzen Nachmittag über keine Ruhe. Der Überfall hat ein negatives Gefühl in mir erzeugt.
Am frühen Abend kommt Kamal vorbei. Er hält sich genauso wie seine Freunde an das strikte Alkoholverbot im Ramadan und ich habe endlich vier Wochen ruhige Nächte vor mir. Sie sind aber trotzdem la ng, weil er ein Nachtmensch ist und ich mich dann verpflichte fühle, ihm Gesellschaft zu leisten, obwohl ich manchmal doch lieber schlafen gehen würde.
Es geht bergab
Die nächsten Wochen vergehen ohne besondere Vorkommnisse. Ramadan ist vorbei und Kamal hat wieder sein altes Leben aufgenommen. Tagsüber schläft er und nachts zieht er durch die Gegend.
Seitdem gegenüber ein Bistro aufgemacht hat, läuft das Café nicht mehr so gut. Manchmal wissen wir nicht, wie wir die Pacht bezahlen sollen. Kamal bittet dann seine Familie, die ausstehenden Beträge zu begleichen. Mir ist klar, dass das kein Dauerzustand ist. Dieses Leben am Existenzminimum zermürbt mich. Kamal scheint sich darüber keine Gedanken zu machen: ,,Don´t worry“, sagt er zu mir. Aber ich kann nicht von ,,Luft und Liebe“ leben. Diese Aussicht hört sich zwar sehr romantisch an, ist aber im realen Leben schwer durchführbar. Ich fange an, unzufrieden
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