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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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taub und stumm werde ich sein, wenn Ihr mich mitnehmt!«
    »Es erscheint mir nicht schicklich«, murmelte ich betrübt.
    »Warum?« fragte sie verunsichert.
    »Weil eine Weiterreise mit Euch unter diesen Umständen die Hölle wäre: Ihr würdet alle naselang stolpern und hinfallen.«
    Und ich brach in so lautes Lachen aus, daß es bis auf die Straße zu hören war. Zum ersten Mal hatte ich die Zauberin bezwungen!
    Am nächsten Tag brachen wir von Burgos aus sehr früh in Richtung León auf, und schon bald erspähten wir in der Ferne Tardajos. Obwohl dieses Dorf kaum eine Meile vom Nachbarort Rabé entfernt lag, war der Weg dorthin sehr mühselig, da wir ein Sumpfgebiet zu durchqueren hatten.
    Auch sonst hatte ich an jenem Tag mit Sara und Jonas meine liebe Mühe: Der Junge sprach nicht, schaute mich nicht einmal an, ja, war fast nicht vorhanden, und die Jüdin schien mit umwölkter Stirn in düstere Gedanken versunken zu sein. Erleichtert bemerkte ich, daß nicht Kummer ihre Miene verfinsterte und auch weder Pein noch Traurigkeit ihre Augen verschleierten, wenn sie mich ansah. Es war vielmehr verhaltene Wut, Empörung. Vom Gewicht eines Schattens befreit, der jahrelang auf mir gelastet hatte, fand ich das einfach herrlich. Fröhlich und zufrieden schritt ich mit meinem ungehobelten Sohn und der außergewöhnlichsten Frau der Welt auf ein unbekanntes Ziel zu.
    Nachdem wir die trostlose und unendlich scheinende Hochebene durchquert hatten, erreichten wir Hornillos, an dessen Ortseingang sich das prächtige Hospital de San Lázaro erhob, und nach einem kurzen Wegstück durch eine felsige Hügellandschaft kamen wir nach Hontanas. Zu jener Stunde ging der Tag schon zur Neige, und wir mußten langsam einen Platz suchen, wo wir die Nacht verbringen wollten.
    »Hier gibt es keine Pilgerhospize«, erklärte uns ein Dorfbewohner, der mit seinem Hirtenstab eine Schweineherde im Zaum hielt. Wandert am besten bis nach Castrojeriz, das nicht weit entfernt liegt. Dort werdet Ihr sicher ein Nachtlager finden. Wenn Ihr allerdings meinen Rat hören wollt«, stotterte er, »so geht heute nicht mehr weiter. In dieser Nacht erwarten die Antonitermönche neue Aussätzige, und der Jakobsweg führt direkt an ihrer Pforte vorbei. Es werden wohl schon viele um das Kloster herum unterwegs sein.«
    »Hier gibt es ein Kloster der Antoniter?« fragte ich ungläubig.
    »So ist es, Señor«, bestätigte der Schweinehirt. Wir, die hier in der Nähe wohnen, bedauern dies sehr, denn außer den bekannten Leprakranken, unseren eigenen, meine ich, und denen, die nach Santiago de Compostela pilgern, um dort um ihre Genesung und die Vergebung ihrer Sünden zu bitten, finden jede Woche, an so einem Tag wie heute, diese verdammten, am Antoniusfeuer leidenden Armen zu Hunderten hierher.«
    »Antoniter, hier!« schnaubte ich. Das war absolut unmöglich, sagte ich mir verwirrt. Was trieben sie am Jakobsweg? Doch immer mit der Ruhe, nur nichts überstürzen … Ich mußte mit Umsicht vorgehen und mich nicht von der Überraschung überwältigen lassen. Wenn ich es mir recht überlegte, war die eigentliche Frage: Warum befremdete es mich, die sonderbaren Mönche des Tau-Kreuzes an einem Weg zu finden, der seltsamerweise voller Taus war? Bis jetzt hatte ich das Tau-aureus, das Zeichen des Goldes, im Bildnis der heiligen Orosia in Jaca, auf der Grabmauer der heiligen Oria in San Millán de Suso und auf dem Kapitell von San Juan de Ortega entdeckt, und immer hatte es auf dort verborgene Templerschätze hingedeutet. Nun zeigte es sich plötzlich auf die verblüffendste Weise: ein Kloster der Antoniter mitten auf dem Weg zwischen Jaca und Santiago de Compostela.
    Der Schweinehirt trieb mit seinem Stock die Schweine weiter, und Sara und Jonas schauten mich verwundert an, als ich wie festgenagelt stehenblieb.
    »Anscheinend hat Euch die Gegenwart dieser Brüder ganz aus dem Gleichgewicht gebracht«, bemerkte Sara und musterte mich mit prüfenden Blicken.
    »Laßt uns weitergehen«, antwortete ich ausweichend.
    Nicht ein einziges Mal, seit Manrique de Mendozas Botschaft in unsere Hände gelangt war, hatte ich das Tau mit den Antonitern in Verbindung gebracht. Ihre Existenz war für mich von jenen Machenschaften einfach zu weit entfernt, und dennoch schien nichts logischer zu sein, als sie mittendrin zu finden. Obwohl weder wohlhabend noch mächtig teilten die Antoniter mit den Rittern des Templerordens das geheime Wissen um die hermetischen Schriften und waren nach den

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