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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Gang zu uns kommen würde. Mir gingen mehrere Fluchtpläne durch den Kopf: Wenn die Gelegenheit günstig wäre, könnten wir vielleicht die Gefangenenwärter überfallen … wenn dies allerdings nicht möglich wäre – was ich durchaus befürchtete –, blieb uns noch die Chance, ein Loch in die Wand aus weichem Sandstein zu klopfen, obwohl uns dies Wochen harter Arbeit kosten würde … und wenn nicht einmal diese Idee umzusetzen wäre, könnten wir immer noch die wackeligen Türangeln und das verrostete Schloß aufbrechen oder die splitternden Quer- und Längslatten herauszureißen versuchen.
    Bei näherer Betrachtung schienen die Templer sich nur wenig um die Sicherheit unseres Gefängnisses zu sorgen. Die Tür war alles andere als ein unüberwindbares Hindernis. Aber wenn mich schon sehr überraschte, wie leicht man das hölzerne Türblatt niederreißen konnte, so war meine Verblüffung noch größer, als ich das Geräusch eines Schlüssels hörte und die vertraute Stimme von Niemand vernahm, der bat, eintreten und uns eine Mahlzeit bringen zu dürfen. Jonas warf einen beleidigten Blick zur Tür und wandte sich dann ostentativ ab.
    Ein paar dienende Brüder zweiten Rangs in groben, braunen Templergewändern begleiteten den völlig verwandelten Niemand, der uns und die Zelle neugierig beäugte. Auf einen Wink hin begann einer der Brüder das alte Stroh durch neues zu ersetzen, mein Erbrochenes wegzuputzen und den Boden zu fegen. Ein anderer stellte vor Sara vorsichtig ein Tablett voller Speisen ab (Weißbrot, einen tönernen Topf mit Brühe, gesalzenen Fisch, frischen Lauch und einen Krug Wein); dann ging er wieder hinaus, um für Niemand einen lederbezogenen Hocker zu holen, und schließlich zog er sich zusammen mit seinem Kameraden diskret zurück. Die Tür blieb sperrangelweit offen. Niemand setzte sich und nahm das baumwollene Birett ab, das seinen kahlen Schädel bedeckte.
    »Es ist mir immer eine große Freude, alte Freunde wiederzusehen«, begann er. Er sah zufrieden aus. Stolz trug er die Tracht der Tempelherren und hüllte sich in seinen weißen Umhang mit so natürlichen und ungezwungenen Gebärden, daß ich ihn mir unmöglich mehr als einen pilgernden Kaufmann vorstellen konnte.
    Jonas ließ ein Knurren aus seinem Winkel verlauten. Sara fand es an der Zeit, nach ihm zu sehen. Ich sagte kein Wort.
    »Ich muß Euch für den Vorfall in Castrojeriz um Verzeihung bitten, Doña Sara«, wandte Niemand sich an sie. »Falls es Euch tröstet: Für mein ungebührliches Benehmen wurde ich schwer bestraft.«
    »Das ist mir gleich, Sire. Ich habe nicht das geringste Interesse an Euern Angelegenheiten«, antwortete die Jüdin mit würdevoller Stimme.
    Da er merkte, daß seine Ergebenheit und Sanftmut wenig fruchteten, beschloß Bruder Rodrigo, gleich zur Sache zu kommen:
    »Man hat mich geschickt, um Euch über Eure Lage aufzuklären. Ihr befindet Euch tief unter der Erde am Ende eines blinden Schachts, der nur einer von Hunderten ähnlicher Stollen in diesem Berghang der Montes Aquilanos ist. Unglücklicherweise ist dieser Ort namens Las Médulas, zwölf Meilen von Ponferrada entfernt, das letzte Bollwerk meines Ordens hier und in vielen anderen Königreichen. Einstmals verfügten wir über ein wahres Netz von Burgen und Festungen in dieser Gegend des Bierzo: Pieros, Cornatel, Corullon, Ponferrada selbst, Balboa, Tremor, Antares, Sarracín … und Häusern in Bembibre, Rabanal, Cacabelos und Villafranca. Jetzt bleiben uns leider nur noch diese unterirdischen Gänge.«
    Um Niemand breitete sich Stille aus.
    »Ich nehme an«, fuhr er fort und legte damit ein wirklich zielstrebiges Verhalten an den Tag, »daß Ihr, Don Galcerán, den baufälligen Zustand Eures Gefängnisses schon bemerkt habt. Dennoch laßt mich Euch sagen, daß eine Flucht aus Las Médulas völlig ausgeschlossen ist. Wenn Ihr Plinius den Älteren gelesen habt, wißt Ihr, wovon ich spreche.«
    Die Erwähnung von Plinius frischte mein Gedächtnis auf. In seiner großartigen Naturgeschichte, der › Naturalis historica ‹, berichtet der weise Römer über den exzessiven Bergbau, der auf Kaiser Augustus' Befehl in Hispania Citerior zu Beginn unserer Zeitrechnung betrieben worden war. Ein Ort dieser römischen Provinz Hispania verdiente ganz besonders das Augenmerk des Gelehrten: Las Médulas, wo die Römer jährlich zwanzigtausend Pfund reinen Goldes abgebaut hatten. Um der Erde das Metall zu entlocken, hatte man sich zwei Jahrhunderte lang der

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