Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Schaut, Sire!« flüsterte Jonas mit leuchtenden Augen. »Sara hat die Zeichen gefunden, wie wir hier herausfinden.«
    »Erinnert Ihr Euch an die Kerben, die wir in den unterirdischen Gängen von Paris fanden?«
    »Ihr seid dort vorangegangen. Ich habe überhaupt nichts gesehen.«
    »Natürlich habt Ihr sie gesehen, aber Ihr habt nicht darauf geachtet, Bruder Galcerán. Ab und zu untersuchte ich die Spuren an den Ecken, damit wir uns nicht verliefen, denn vorsichtshalber mußte ich jeden Tag einen anderen Weg wählen.«
    »Jetzt, wo Ihr es sagt …«, murmelte ich zähneknirschend, während mir jene nächtlichen Ausflüge kaum drei Monate zuvor wieder in den Sinn kamen. Erst drei Monate war das her! dachte ich überrascht. Ein ganzes Leben schien seitdem verstrichen zu sein.
    »Seht Ihr?« sagte Sara und kauerte sich wieder vor die Wegkehre. »Haltet die Fackel näher heran.«
    So gut wie möglich beleuchtete ich die Stelle, auf die sie zeigte, und beugte mich hinunter. Drei tiefe Kerben waren an der Eckkante zu erkennen, alle gleich breit und gleich tief und unbestritten mit ein und demselben Gegenstand eingeritzt.
    »Was bedeutet das?«
    »Oh, nun … es kann viel bedeuten. Das hängt davon ab, was man gerade sucht.«
    »Wir suchen den Ausgang«, erklärte uns Jonas, falls wir es vergessen haben sollten.
    »Dann müssen wir den rechten Weg nehmen. Das ist der richtige.«
    Wir gingen weitere drei Stadien durch diesen neuen Gang und standen dann wieder an einer Kreuzung. Hier boten sich uns vier Möglichkeiten: ein Weg führte nach rechts und einer nach links, der sich dann wiederum in drei Seitengänge auffächerte. Die Stollen waren ungeheuer hoch, zwischen sechs und zwölf Stockmaß. Wir kamen uns vor wie Ameisen, die durch das Schiff einer Kathedrale liefen. Sara zog mich mit der Fackel zu den Zeichen an jeder Ecke. Mit dem Finger wies sie auf den Tunnel, der in gerader Linie den fortsetzte, der uns hierhergeführt hatte.
    »Den dort«, sagte sie überzeugt.
    »Der ist ja auch mit drei Kerben markiert«, bemerkte Jonas.
    »Die drei stehen für ›richtige Richtung‹, aber sie können auch ›Eingang‹ oder ›Ausgang‹ bedeuten.«
    »Aber das ist unmöglich! Ein einziges Zeichen kann doch nicht drei verschiedene Bedeutungen haben.«
    »Dieses hat noch sehr viele mehr, aber ich erwähne nur die, welche zu dem, was wir suchen, am besten passen.«
    »Und wenn dort anstelle von drei nur zwei Kerben gewesen wären?«
    »Auch das könnte viel bedeuten. In unserem Fall zum Beispiel ›Umweg‹, ›Abkürzung‹, ›Versteck‹ oder ›Kapelle‹, falls ihr vielleicht vorher noch beten wollt.«
    »Und eine einzige Kerbe?«
    »Folge nie einem der Gänge, die nur mit einer einzigen Kerbe gekennzeichnet sind, Jonas!« ermahnte Sara ihn ernst und nachdrücklich. »Du würdest nie wieder zurückkehren.«
    »Aber was bedeutet es?«
    »Eine Kerbe kann beispielsweise ›Falle‹, ›Sackgasse‹ oder auch … ›Tod‹ heißen. Wenn wir uns aus irgendeinem Grund trennen müssen, so folgt immer den Stollen mit den drei Kerben, und wenn es keine mit drei gibt, so denen mit zwei. Aber betretet niemals, hört ihr?, niemals jene mit nur einer Kerbe. Wenn alle Gänge nur mit einer einzigen Kerbe markiert sein sollten, so geht zurück bis zur letzten Kreuzung und wählt die danach am ungefährlichsten scheinende Richtung.«
    Am Ende des langen Stollens stießen wir auf einen Raum, der nur einen einzigen Ausgang zur rechten Seite hin hatte. Eingeschüchtert durch die Größe jenes Ortes und die Finsternis, die uns umgab, schlichen wir leise weiter. Glücklicherweise waren hier ebenfalls drei Zeichen auszumachen. Eine kleine Kurve nach links, bevor der Gang wieder geradeaus führte. Zu unserer Rechten ließen wir eine Reihe von sieben Tunneleinmündungen hinter uns, die alle nur eine einzige Kerbe trugen.
    Als wir auch an dessen Ende angelangt waren, standen wir in einem weiteren Raum, der allerdings etwas kleiner war als der vorherige. Wir erstarrten vor Schreck, als wir entdeckten, daß kein Weg hinausführte.
    »Und was nun? Sagtet Ihr nicht, daß wir auf dem rechten Weg sind?« fragte Jonas die Zauberin.
    »Und das sind wir auch, das kannst du mir glauben. Dies hier ist selbst für mich unverständlich.«
    Mit einer raschen Handbewegung nahm sie mir die Fackel aus der Hand und begann das Gewölbe abzutasten und mit den Füßen auf dem Boden zu scharren.
    »Hier ist etwas!« rief sie nach einiger Zeit vergnügt.

Weitere Kostenlose Bücher