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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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sogenannten ruina montium - Methode bedient: Dazu ließ man plötzlich große Mengen Wasser aus riesigen Stauseen ab, die hoch oben in den Montes Aquilanos angelegt worden waren. Voller Wucht schoß das entfesselte Wasser durch sieben Aquädukte und ein weitverzweigtes, von Tausenden von Sklaven gegrabenes Netz aus Kanälen und Stollen nach unten, wodurch gewaltige Erdrutsche ausgelöst wurden. Diese goldführenden Erdmassen wurden dann durch breitere Kanäle in große Auffangbecken gespült, wo man das Gold siebte.
    Das war die Erklärung für die bizarren roten und orange gefärbten Bergkegel: Durch die Unterspülung waren die Berge in sich zusammengefallen. Und es war auch die Erklärung für die hohe Sicherheit unseres Gefängnisses: Nicht einmal mit Ariadnes Faden, den Theseus benutzte, um aus dem Labyrinth herauszufinden, hätten wir aus jenem Tunnelgeflecht zu entkommen vermocht. Wir saßen fest, weitaus hoffnungsloser, als wenn man uns in Ketten gelegt hätte.
    »Ich sehe Eurem Gesicht an, Don Galcerán, daß Ihr begriffen habt, wie unnütz jeglicher Fluchtversuch wäre. Nun, so haben wir keine Probleme. Es bleibt mir nur noch eines zu sagen«, schloß Niemand, stand auf und wandte sich zum Ausgang, »man hat mir befohlen, Euch auszurichten, daß Ihr bald für immer an einen anderen, noch viel sichereren Ort gebracht werdet, und der, Don Galcerán, ist einer der sichersten der Welt, das kann ich Euch garantieren.«
    Würdevoll verließ er unsere Zelle. Krachend fiel die Tür ins Schloß. Als wir wieder allein waren, verharrten wir lange Zeit im gleichen Schweigen, das wir während Niemands Anwesenheit gewahrt hatten. Ich zweifelte nicht an unserem nächsten Schritt: Solange wir lebten, mußten wir kämpfen. Da unser Schicksal, was auch immer uns beschieden sein sollte, vorherbestimmt war, warum sollten wir nicht alle möglichen Varianten ausprobieren, wenn wir danach sowieso am gleichen Ort enden würden?
    »Los!« rief ich und sprang auf.
    »Los?« fragte Sara verwundert.
    »Wir gehen.«
    »Wir gehen?« wiederholte Jonas, noch viel verwunderter.
    »Wollt ihr etwa alles, was ich sage, bis zum Tag des Jüngsten Gerichts nachbeten? Spreche ich vielleicht nicht deutlich genug? Ich habe gesagt, wir gehen, weshalb Ihr Eure Pilgertaschen nehmen sollt, denn wir haben einen beschwerlichen Fußmarsch vor uns.«
    Die beiden machten sich fertig. Da Le Mans' Dolch das einzige war, was man mir nicht zurückgegeben hatte, nahm ich die Dokumente und falschen Geleitschreiben aus meiner Zinnbüchse heraus und trampelte dann beharrlich so lange auf der Büchse herum, bis aus ihr ein scalpru , eine Art kleines und widerstandsfähiges Stecheisen, geworden war. Daraufhin wandte ich mich zur Tür und hebelte damit die alten, verrosteten Nägel aus dem Schloß, das sich danach am Stück herausnehmen ließ. Mitgerissen durch ihr eigenes Gewicht sprang die Tür auf.
    »Gehen wir!« rief ich vergnügt.
    Gemeinsam machten wir uns auf den Weg durch den langen unterirdischen Stollen, nicht ohne zuvor die brennende Fackel aus der Halterung neben der Zelle an uns genommen zu haben. Meine einzige Sorge war, daß wir plötzlich irgendeiner Patrouille von Templern gegenüberstehen könnten.
    Der Gang verlief etwa fünf Stadien geradeaus und führte dann über eine in den Fels gehauene Treppe nach unten, wo wir ihm weitere fünf Stadien lang folgten. Plötzlich beschrieb er einen Bogen nach links, an dessen Ende wir an eine Weggabelung gelangten. Unschlüssig blieb ich stehen. Welche Richtung sollte ich einschlagen? Es drängte sich auf, ein System zu wählen wie etwa immer nach rechts oder immer nach links zu gehen – in einem Labyrinth die einzig richtige Entscheidung – und die Kreuzungen zu markieren, um sie wiederzuerkennen, falls wir unglücklicherweise im Kreis laufen sollten.
    »Wohin glaubt Ihr beide, sollten wir uns wenden?« fragte ich ruhig und zog das spitze Werkzeug aus meinem Gürtel, um eine Kerbe in die Wand zu ritzen.
    »Siehst du, Jonas?« hörte ich da Sara hinter mir flüstern. »Das ist es, wovon ich dir erzählt habe. Der Weg ist genauso gekennzeichnet wie in den Stollen im Pariser Untergrund.«
    Überrascht drehte ich mich um und mußte den Blick senken, um an einer Ecke Jonas und Sara zu entdecken, die sich niedergekniet hatten und mir den Rücken zuwandten.
    »Darf man erfahren, was zum Teufel ihr da treibt?« brummte ich wütend, natürlich äußerst leise, da unsere Unterhaltung die Templer nicht alarmieren

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