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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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lernte die Bibel von Anfang bis Ende auswendig«, sagte er stolz. »Jetzt habe ich sie nicht mehr so genau im Gedächtnis, aber früher konnte ich alles aufsagen, ohne mich ein einziges Mal zu versprechen. Am meisten gefiel mir ›Dies Irae ‹.«
    »Dann wird es dir auch nicht schwerfallen, dieses aenigma zu erklären.«
    »Ich weiß nur, daß dieser Baum die Wurzel Jesse ist, welche den Stammbaum von Jesus Christus mit den zweiundvierzig Königen von Judäa darstellt. Er stützt sich auf Jesajas Offenbarung, deren ersten Bibelvers ich vorhin aufgesagt habe.«
    »Da du die heilige Liturgie so gründlich zu kennen scheinst, sage mir: In welchem Gottesdienst werden die Namen der zweiundvierzig Könige von Judäa aufgezählt?«
    Jonas dachte nach.
    »An Weihnachten, während der ersten Messe nach Mitternacht, die man zur Erinnerung an die Geburt Christi feiert.«
    »Kommst du immer noch nicht drauf …?« hakte ich nach, als ich sein verwundertes Gesicht sah. »Also gut, sag mir, wie diese erste Messe bei uns im Volksmund heißt.«
    Ein breites Lächeln erhellte nun sein Gesicht.
    »Ach ja, natürlich! Die Christmette! Man nennt sie misa del gallo , die ›Hahnen-Messe‹, weil sie zur Stunde des ersten Hahnenschreis stattfindet.«
    »Hahnen-Messe?« fragte Sara und blickte abwechselnd auf die gezeichnete Tierfigur am Boden und auf das Leder.
    »Allmählich beginnt Ihr zu begreifen.«
    »Von wegen«, ließ sie mit einem wütenden Schnauben vernehmen. »Ich begreife gar nichts.«
    »Nein? … So seht denn.«
    Ich stellte mich mitten in den Raum, hob den Kopf und reckte den Hals so wie der Hahn auf den Zeichnungen.
    » Liber generationis Iesu Christi, filii David, filii Abraham: ›Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams‹«, begann ich mit kraftvoller Stimme vorzutragen. In meinem tiefsten Innern betete ich darum, keinen der Namen zu vergessen, denn schon seit vielen Jahren hatte ich Jesu' Stammbaum nicht mehr aufgesagt, was während des Studiums eine der regelmäßigen Gedächtnisübungen gewesen war.
    Abraham genuit Isaac, Isaac autem genuit Iacob, lacob autem genuit Iudam et fratres eius, Iudas autem genuit Phares et Zara de Thamar, Phares autem genuit Esrom, Esrom autem genuit Naasson, Naasson autem genuit Salomon, Salomon autem genuit Booz de Rachab, Booz autem genuit Obed ex Ruth, Obed autem genuit Iesse, Iesse autem genuit David regem …
    Ich hatte mit der ersten Gruppe geendet – Christi Genealogie wird immer in drei Gruppen von vierzehn Königen aufgeteilt, so wie es der heilige Matthäus in seinem Evangelium berichtet – und hielt nun inne, um meinen Puls zu beruhigen und wieder zu Atem zu kommen. Vorerst geschah nichts Besonderes.
    »Seid Ihr schon fertig?« wollte Sara mit spöttischem Unterton wissen.
    »Noch bleiben ihm zwei Gruppen der Könige«, erklärte Jonas. Ich fuhr fort:
    David autem rex genuit Salomonem ex quae fuit Uriae, Salomon autem genuit Roboam, Roboam autem genuit Abiam, Abias autem genuit Asa, Asa autem genuit Iosaphat, Iosapbat autem genuit Ioram, Ioram autem genuit Oziam, Ozias autem genuit Ioathas, Ioathas autem genuit Achaz, Acbaz autem genuit Ezechiam, Ezechias autem genuit Manassem, Manssdes autem genuit Amon, Amon autem genuit Iosiam, Iosias autem genuit Iechoniam et fratres eius in transmigratione Babylonis.
    Wieder stockte ich, nachdem ich die zweite Gruppe der vor und nach der babylonischen Gefangenschaft Geborenen aufgezählt hatte. Doch noch immer ereignete sich nichts Außergewöhnliches. Etwas entmutigt deklamierte ich weiter.
    Et post transmigrationem Babylonis Iechonias genuit Salathihel, Salathihel autem genuit Zorobabel, Zorobabel autem genuit Abiud, Abiud autem genuit Eliachim, Eliachim autem genuit Azor, Azor autem genuit Saddoc, Saddoc autem genuit Achim, Achim autem genuit Eliud, Eliud autem genuit Eleazar, Eleazar autem genuit Matthan, Matthan autem genuit Iacob, Iacob autem genuit Ioseph, virum Marias, de qua natus est Iesus qui vocatur Christus.
    Ein dumpfes Geräusch, wie von einem Mechanismus, der sich langsam in Bewegung setzt, war plötzlich über unseren Köpfen zu hören, als ich Marias Namen aussprach. Aber so sehr ich die Fackel auch in die Höhe reckte, so erreichte ihr Lichtschein doch nicht die Decke, weshalb wir nicht erkennen konnten, was sich dort oben zutrug, bis eine Eisenkette, so dick wie der Arm eines Mannes, im Lichtschein herunterglitt. Langsam kam sie herunter; irgendwo dort oben im

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