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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Kerkers nicht auf einen einzigen Templer gestoßen waren! Sie waren alle am Ende jenes Ganges versammelt und feierten einen Gottesdienst. Noch nie in meinem Leben hatte ich die Gelegenheit gehabt, so viele Männer einstimmig singen zu hören, und es rief in mir ein Gefühl von heller Begeisterung und tiefer Ergriffenheit hervor, als ob das Rezitativ meine Nerven wie die Saiten eines Psalteriums bearbeitete. Der Klang schwoll an, je näher wir kamen, und als wir um eine Kehre bogen, zeichnete sich auch ein herrlicher Glanz ab. Jonas hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu, so betäubt fühlte er sich durch den lauten Gesang, der durch das Gewölbe noch beträchtlich verstärkt wurde, aber genau in diesem Augenblick, nach einem leichten Ansteigen des Tons, verstummten die Stimmen plötzlich. Nur ein schwacher Widerhall schwebte noch in der feuchtheißen Luft.
    Mit einer gebieterischen Geste befahl ich den beiden strengstes Stillschweigen. Ich hatte soeben einen Schatten in jenem Glanz erspäht, eine leichte Bewegung in diesem Lichtschein, der vom Ende des Gangs zu uns drang. Sara und Jonas drückten sich erschrocken gegen den Felsen. Es bestand keinerlei Zweifel, daß dort vorne jemand stand, der uns auf gar keinen Fall erblicken durfte. Ich machte ihnen Zeichen, sich nicht von der Stelle zu rühren, und schlich leise mit angehaltenem Atem und vorsichtigen Schritten weiter. Der Gang verengte sich nun zu einer Art Trichter von menschlichen Ausmaßen. An seinem anderen Ende, gegenüber einer kleinen Balustrade, die ins Leere führte, gewahrte ich den Rücken eines Templers, eingehüllt in den langen weißen Umhang mit dem scharlachroten Tatzenkreuz, auf dem Kopf seinen Helm. Er schien Wache zu halten und folgte aufmerksam dem, was jenseits der Brüstung vor sich ging. Um nicht entdeckt zu werden, wich ich vorsichtig zurück und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Doch an jenem Tag war die Glücksgöttin mir nicht hold: Ein verdammter Kiesel, so klein wie ein Mausezahn, geriet zwischen die Riemen meiner Sandalen und bohrte sich mir ins Fleisch, wodurch ich ins Taumeln kam. So leise ich es vermochte, fuchtelte ich mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, aber als ich mich mit einer Hand an der Wand abzustützen versuchte, war ein trockenes Knirschen zu hören. Der Templer drehte sich um. Als er mich erblickte, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf, und sein bärtiges Gesicht erbleichte. Ungläubig zögerte er einige lebenswichtige Augenblicke mit seiner Reaktion, und obgleich er sich schnell besann, war mein Arm doch schneller, der nun voll Grausamkeit mit dem spitzen scalpru zum Wurf ausholte, das sich gleich darauf sauber in seinen Hals unter den Adamsapfel grub und ihn so daran hinderte, irgendeinen Laut von sich zu geben. Seine Pupillen wurden glasig, und er wollte absurderweise den Kopf senken, um das äußerste Ende der Waffe zu betrachten, die in seiner Kehle steckte, jedoch gelang es ihm schon nicht mehr: Das Blut schoß aus der Wunde, und er geriet ins Wanken. Wie ein Trunkenbold wäre er zu Boden gefallen, hätte ich ihn nicht um die Hüften festgehalten.
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß der Unhold auch wirklich tot war, nahm ich ihm schnell den Umhang ab, warf ihn mir um die Schultern und setzte den zylindrischen Helm auf, um seinen Platz auf der Balustrade einzunehmen.
    Das Staunen und der Lebenswille hielten mich aufrecht. Zu meinen Füßen lag die herrlichste aller Basiliken, strahlend in Licht und Glanz wie der mit Edelsteinen eingefaßte Spiegel einer Frau. Das ganze Gotteshaus war aus purem Gold, und ein intensives Aroma nach Weihrauch und anderen Düften schwebte in ihm. Die Ausmaße jenes in Stein gehauenen, achteckigen Kirchenschiffs überstiegen bei weitem die von Notre-Dame in Paris, und keine der prachtvollen Moscheen des Orients, nicht einmal die große Moschee von Damaskus, reichten in Schmuck und Opulenz an diese Basilika heran: Verkleidungen aus Marmorplatten, Tapisserien aus Samt, lange Paneele mit herrlichen Mosaiken nach Motiven des Alten Testaments, Fresken mit Szenen der Heiligen Jungfrau, bronzene Lampen, Kandelaber aus Gold und Silber, Edelsteine … Und in der Mitte war auf einer mit Teppichen bedeckten Bodenplatte ein prächtiger, filigran gearbeiteter Altar von etwa zehn Spannen Höhe und weiteren fünfzehn Spannen Länge zu sehen, darauf ein Schrein, neben dem ein Kaplan eine religiöse Ansprache hielt. Um den Altar knieten mit entblößten und zum Zeichen

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