Iacobus
der Ehrerbietung geneigten Häuptern Hunderte von Tempelherren in ihren weißen Mänteln und lauschten vollkommen gebannt den Worten des Priesters, der über die notwendigen geistigen Werte predigte, um den schlechten Zeiten zu trotzen, und die Willensstärke, die den Orden nähren sollte, damit er seine ewige Mission erfülle.
Von meinem Beobachtungsposten auf der Balustrade bot sich mir der Anblick eines magischen, geheimnisumwitterten Raums, und ich fühlte mich so benommen, daß es eine Weile dauerte, bis ich bemerkte, daß der in der Mitte stehende Altar nur dazu diente, etwas wesentlich Wertvolleres und Wichtigeres zu verwahren. Während Sara und Jonas leise hinter mich traten, lauschte ich noch einem weiteren Lied, bevor mir auffiel, daß das, was bei jenen so ekstatischen und faszinierten Rittern des Tempels, die wie steinerne Figuren davor knieten, ohne daß sich auch nur eine einzige Falte ihrer Umhänge bewegte, soviel Anbetung hervorrief, nichts anderes als die sagenumwobene Bundeslade war.
Wie soll ich das Gefühl beschreiben, das mich überkam, als ich dort unten, vor meinen erstaunten Augen, den begehrtesten Gegenstand der Menschheitsgeschichte erblickte, Gottes Thron, Inbegriff seiner Stärke und Macht? Obwohl ich es mir um der Mäßigung willen von ganzem Herzen wünschte, konnte ich indes keinerlei Argwohn hegen gegen das, was ich da sah.
Und der Herr redete mit Mose und sprach: »Macht eine Lade aus Akazienholz, zwei und eine halbe Elle soll die Länge sein, anderthalb Ellen die Breite und anderthalb Ellen die Höhe. Du sollst sie mit feinem Gold überziehen innen und außen und einen goldenen Kranz an ihr ringsherum machen. Und gieß vier goldene Ringe und tu sie an ihre vier Ecken, so daß zwei Ringe auf der einen Seite und zwei auf der anderen seien. Und mache Stangen von Akazienholz und überziehe sie mit Gold und stecke sie in die Ringe an den Seiten der Lade, daß man sie damit trage. Sie sollen in den Ringen bleiben und nicht herausgetan werden.
Und du sollst in die Lade das Gesetz legen, das ich dir geben werde.
Du sollst auch einen Gnadenthron machen aus feinem Golde; zwei und eine halbe Elle soll seine Länge sein und anderthalb Ellen seine Breite. Und du sollst zwei Cherubim machen aus getriebenem Golde an beiden Enden des Gnadenthrones, so daß ein Cherub sei an diesem Ende, der andere an jenem, daß also zwei Cherubim seien an den Enden des Gnadenthrones. Und die Cherubim sollen ihre Flügel nach oben ausbreiten, daß sie mit ihren Flügeln den Gnadenthron bedecken und eines jeden Antlitz gegen das des andern stehe; und ihr Antlitz soll zum Gnadenthron gerichtet sein. Und du sollst den Gnadenthron oben auf die Lade tun und in die Lade das Gesetz legen, das ich dir geben werde. Dort will ich dir begegnen, und vom Gnadenthron aus, der auf der Lade mit dem Gesetz ist, zwischen den beiden Cherubim will ich mit dir alles reden, was ich dir gebieten will für die Söhne Israels.«
So stimmte es denn, daß die Tempelherren die Gesetzeslade gefunden hatten! Jene neun Ritter, die den Orden in Jerusalem gründeten, konnten also die Mission erfüllen, mit der sie vom heiligen Bernhard betraut worden waren. Wahrscheinlich hatte dann vor vielen Jahren eine große Gruppe von Waffenbrüdern sie im geheimen von den Stallungen des Salomo-Tempels in Jerusalem bis zu diesen unterirdischen Gängen im Bierzo eskortiert, und seit damals stand sie wohl an diesem unbekannten Ort.
Ich befand mich in einem Zustand höchster Erregung, heiß lief es mir über den Rücken und erschütterte mich tief. Wenn es stimmte, was in der Bibel stand, dann enthielt jene Lade dort unten die Gesetzestafeln, nicht jenes Gesetz, worunter man gemeinhin eine Anhäufung alberner, eines Gottes unwürdiger Verbote verstand, sondern das Logos selbst, das Wort, die heiligen architektonischen Maße, die geometrischen, musikalischen und mathematischen Zusammenhänge des Universums, die riesige, bis zum Himmel reichende Feuersäule und die zerstörerische Kraft, welche Verderben über die Philister brachte und sie mit bösen Beulen schlug.
Keine andere Macht, weder zerstörerisch noch schaffend, war vergleichbar mit jener der Lade Jahwes, und dennoch deutete nichts in ihrer friedvollen Erscheinung, in der bewegenden Gleichmut der goldenen Cherubim, in ihrer Schönheit darauf hin. Die Haltung der salomonischen Mönchsritter, die voll wahrer Inbrunst davor knieten, war also nicht weiter verwunderlich. Auch ich hätte mich
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