Iacobus
Festungen von den Pyrenäen bis Santiago de Compostela haben wir diesbezüglich die strengsten Anordnungen erhalten. Was habt Ihr an Euch, Bruder, daß Ihr soviel Staub aufwirbelt?«
»Hat man Euch denn nichts erklärt, Prior? Was wißt Ihr?«
»Ich fürchte, Sire«, sagte er und schlug nun einen herrschsüchtigen Ton an, »daß ich es bin, der hier die Fragen stellt, und Ihr derjenige, der zu antworten hat. Aber nehmt doch Platz. Ich bedauere mein unhöfliches Benehmen. Ihr müßt hungrig sein, nicht wahr? Erzählt mir, was geschehen ist, während man uns ein kräftiges Frühstück bringt.«
»Unter anderen Umständen, Prior«, entschuldigte ich mich, »würde ich keinen Augenblick zögern, Eurer Bitte zu entsprechen, da ich Euch als Ritter und Hospitaliter vollkommenen Gehorsam schulde, in diesem Fall allerdings, Micer, ersuche ich Euch mit der Euch gebührenden Hochachtung, daß Ihr mir zunächst darlegt, was man Euch erzählt hat und welcher Natur die Befehle sind, die Ihr hinsichtlich meiner Person erhalten habt.«
Don Pero knurrte und warf mir einen finsteren Blick zu, aber die Beschaffenheit der Anordnungen mußte ihm wohl Umsicht und Mäßigung gebieten.
»Ich weiß nur, Bruder, daß ich Euer Erscheinen in diesem Hause unverzüglich zu melden habe, indem ich zwei Ritter mit den schnellsten Pferden unserer Stallungen nach León schicke. Dort wartet man anscheinend sehnlichst auf Nachricht von Euch. Unterdessen soll ich Euch all den Beistand gewähren, dessen Ihr bedürft«, seufzte er. »Und nun seid Ihr dran.«
»Wenn unsere Vorgesetzten Euch nichts erzählt haben, Sire, so seht mir armem und müdem Ritter mein hartnäckiges Schweigen nach, denn dann darf ich Euch auch nicht mehr verraten.«
»Ach, wie sehr ich das bedauere!« protestierte er, wobei er versuchte, seinen Ärger zu verbergen. Er stand auf und meinte herablassend: »Das Haus steht Euch zur Verfügung, Bruder. Ihr werdet Euch wohl den Gottesdiensten anschließen und der Aufgabe widmen, die Euch beliebt.«
»Im Spital von Rhodos bin ich der Medikus.«
»Oh, Rhodos! Nun gut, so unterstelle ich Euch also unser kleines Spital, bis die Boten aus León zurückkommen. Habt Ihr sonst noch irgendwelche besonderen Wünsche?«
»Der Junge und die Frau …«
»Eine Jüdin, nicht wahr?« fragte er geringschätzig nach.
»In der Tat, Bruder, sie ist Jüdin. Nun, sowohl sie als auch der Junge und ich befinden uns in großer Gefahr.«
»Das dachte ich mir schon«, prahlte er.
»Unser Aufenthalt hier muß unter allen Umständen geheimgehalten werden.«
»Gut. In diesem Fall werden wir Euch eine Wohnstatt in der Mühle eines nahegelegenen Bauernhofs zuweisen, die durch diese Festung gut beschützt wird und wo sonst nie jemand hinkommt. Seid Ihr damit einverstanden?«
»Ich danke Euch, Prior.«
»So sei es also. Auf Wiedersehen, Bruder Galcerán.«
Und er verabschiedete mich mit einer unfreundlichen Geste, ohne mir das versprochene Frühstück servieren zu lassen, räumte mich aus dem Weg wie jemand, der eine lästige Mücke verscheucht.
Als wir an jenem Abend erwachten, machten Sara und ich uns daran, unseren Zufluchtsort genauer in Augenschein zu nehmen, während Jonas weiterhin tief schlief. Bevor wir uns am Morgen auf die Strohsäcke niederlegten, hatte ich ihm ein wenig Opium verabreicht, damit er nach so vielen Tagen unerträglicher Schmerzen wirklich etwas ausruhen konnte. Zum Glück gingen seine Atmung und sein Puls nun regelmäßig.
Die alte Mühle lag inmitten unbesiedelten Weidelands. Ihr verwahrloster Zustand ließ auf die vielen Jahre schließen, die sie schon leer stehen mußte. Das einfach gebaute Holzhaus war um einen dicken Mast herum errichtet, der in der Mitte über das Dach hinausragte. Im oberen Stockwerk hatten wir unsere Strohsäcke ausgebreitet, und im unteren, wo Sara und ich uns gerade aufhielten, befand sich das kaputte Mahlwerk, das auch keine Mühlsteine mehr hatte. Von der Decke hingen große Spinnweben herab. Als sie eines dieser emsigen Insekten entdeckte, machte die Zauberin ein zufriedenes Gesicht:
»Wußtet Ihr, daß Spinnen ein gutes Zeichen sind? Wenn man abends oder nachts eine Spinne sieht, wird sich ein Wunsch erfüllen …«, sagte sie, nahm mich an der Hand und zog mich aus dem Haus.
Draußen strahlte die untergehende Sonne des späten Nachmittags, und die Luft war so rein, daß wir uns an eine Hausecke setzten, um den Frieden des Ortes zu genießen. Nun mußten wir uns nicht mehr verstecken oder
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