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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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lang nachdenklich. »So etwas Ähnliches muß auch in San Juan de Ortega geschehen sein, aber dort habe ich es nicht rechtzeitig begriffen. Wenn wir damals schon alle Schlüssel zu dem Geheimnis besessen hätten, wäre die Krypta möglicherweise nicht eingestürzt.«
    »Und wohin gehen wir jetzt?« fragte Sara.
    »Wir suchen meine Brüder«, erwiderte ich. »Für die milites Templi sind wir eine leichte Beute: ein großgewachsener Mann, eine Jüdin mit weißem Haar und ein schlaksiger Junge. Was denkt Ihr, wie lange sie brauchen werden, um uns einzuholen, wenn wir nicht bald ein sicheres Versteck finden? … Da meine Mission offensichtlich zu Ende ist, wird es das Beste sein, das nächste Ordenshaus der Hospitaliter aufzusuchen, das in dieser Gegend zu finden ist, um uns dem Schutz meiner Brüder anzuvertrauen und auf weitere Anweisungen zu warten.«
    »Wir müssen uns bald auf den Weg machen, Vater …«, meinte Jonas nun besorgt. »Die Templer werden nicht lange auf sich warten lassen, um unsere Leichen zu bergen.«
    »Du hast recht, mein Junge«, stimmte ich ihm zu, stand auf und reichte Sara meine Hand, um ihr aufzuhelfen.
    Die Hand der Jüdin versetzte mein Herz in Aufruhr, das allein schon aufgrund der jüngsten Ereignisse ziemlich unruhig pochte. Das Licht der Sonne, welche uns das Leben gerettet hatte, schien nun voll in ihre schwarzen Augen und ließ sie magische und sicherlich auch verzaubernde Reflexe aussenden.
    Wir benötigten zwei ganze Tage und Nächte, um nach Villafranca del Bierzo zu gelangen, wo wir endlich auf Hospitaliter stießen. Der Marsch dorthin war beschwerlich und ermüdend, da wir von Sonnenuntergang bis zum Anbruch des neuen Tages reisten und tagsüber in improvisierten Verstecken schliefen. Durch die Kälte und nächtliche Feuchtigkeit hatte sich Jonas darüber hinaus eine Ohrenentzündung zugezogen, so daß er sich vor Schmerzen krümmte wie ein Sträfling auf der Folterbank. Um zu verhindern, daß es zu eitern begann, legte ich ihm heiße Kompressen auf, die ihm ein wenig Linderung verschafften, wohlwissend, daß sie wesentlich besser wirken würden, wenn sich der Junge auf einem bequemen Strohsack hätte ausruhen können, statt bei nächtlichem Tau Anfang Oktober im kalten Mondlicht weiterwandern zu müssen.
    Ein Kaplan empfing uns im Morgengrauen an der Pforte der Kirche von San Juan de Ziz im Süden von Villafranca, auf deren Mauern die Standarte meines Ordens flatterte. Diese mit Weinstöcken gesegnete Ortschaft, welche einst die ›schwarzen Mönche‹ von Cluny aus Frankreich mitgebracht hatten, war wegen einer Eigentümlichkeit berühmt: In ihrer dem heiligen Jakobus geweihten Kirche konnten kranke Pilger, die es nicht mehr nach Santiago de Compostela schafften, den Generalablaß erhalten, so als ob sie wirklich das Grab des Apostels erreicht hätten. Deshalb drängten sich viele Menschen aller Nationalitäten und Schichten an ihren Mauern, um sich dort dem ersehnten Ende des Pilgerwegs ein wenig näher zu fühlen.
    Der Hospitaliterbruder, ein zahnloser, kräftiger Mann mit schütterem Haar, war mir sofort zu Diensten, als ich ihm meinen Namen und meine Stellung in unserem Orden nannte. Eilfertig bot er mir sein Heim an, ein bescheidenes, strohgedecktes Häuschen, das an den starken Mauern von San Juan de Ziz lehnte und in dem er seit vielen Jahren brüderlich mit einem einfältigen Laienbruder lebte. Beide bildeten eine Art Vorhut oder religiöser Vorposten des Hospitaliterordens an den östlichen Grenzen des Königreichs Galicien, wo mein Orden anscheinend zahlreiche Komtureien, Burgen und Priorate besaß, die sich seit dem Untergang der ›ketzerischen‹ Templer noch ständig vermehrten. Das Haupthaus, eine in Portomarin errichtete wunderbare Festung, die dem heiligen Nikolaus geweiht war, lag etwa sechzig Meilen entfernt in Richtung Santiago de Compostela. Mit guten Pferden, meinte der galicische Mönch, würde man für die Reise dorthin höchstens zwei Tage benötigen. Ohne allzusehr ins Detail zu gehen, ließ ich ihn wissen, daß wir nicht in der Lage waren, Pferde zu erwerben, weder gute noch schlechte, und daß ich mir aufgrund seines Edelmuts und seiner teilnahmsvollen Bereitwilligkeit dieses Geschenk erhoffte. Als ich ihn schwanken und einige schüchterne Entschuldigungen stammeln sah, mußte ich die ganze Autorität aufbieten, die mir mein Rang als Hospitaliter verlieh, um jeglichen Zweifel aus seinem Gedächtnis zu tilgen: Wir brauchten diese Tiere, und Ausreden

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