Iacobus
würde ich nicht gelten lassen. Ich sagte ihm nicht, daß wir in Lebensgefahr schwebten und der Junge, Sara und ich nur in San Nicolás sicher sein würden. Zudem mußte ich irgendwo auf die Befehle von Johannes XXII. und dem Großkomtur von Frankreich, Bruder Robert d'Arthus. Bertrand, warten, die zweifellos begierig waren, alles über den Verbleib des Templergoldes zu erfahren, und die Festung von Portomarin schien mir dafür der geeignete Ort zu sein.
Wir verließen Villafranca noch am selben Abend auf den Rücken dreier graubrauner Pferde. Die enge Schlucht des Río Valcarce durchritten wir entlang abschüssiger Böschungen voller Kastanienbäume, die stolz ihre stacheligen, grünen Früchte zur Schau stellten. Jonas' Ohrenschmerzen ließen noch immer nicht nach, und der Junge sah bleich und fiebrig aus. Er schien sich nicht einmal zu freuen, als wir nach großen Mühen den Paß von Cebeiro erklommen hatten, wo wir im Mondlicht den wunderbaren Abstieg erblickten, der uns Richtung Sarria erwartete. Zwei Nächte lang ritten wir durch feuchte und finstere Wälder voll hundertjähriger Eichen, Buchen, Haselnußsträuchern, Eiben, Pinien und Ahornbäumen und durchquerten eine Unzahl düsterer Dörfer, deren Einwohner in ihren mit Roggenstroh gedeckten Hütten schliefen, vor denen die Hunde anschlugen. Meine Furcht, erneut von den Tempelrittern ergriffen zu werden, ließ allmählich nach angesichts der Gewißheit, daß nur ein paar Verrückte wie wir des Nachts durch jenen von Füchsen, Bären, Wölfen und Wildschweinen bevölkerten Landstrich reisen konnten. Nicht, daß ich nicht Angst davor hatte, von einigen dieser gefährlichen Kreaturen angegriffen zu werden, aber ich kannte ihre Jagd- und Schlafgewohnheiten und versuchte unsere Reiseroute so weit wie möglich von ihren Bauen zu legen, um sie nicht aufzuschrecken und mit Geräuschen oder unserem Geruch herauszufordern. Vorsichtshalber hielt ich jedoch das alte, eherne Schwert gezückt, das mir der galicische Bruder geschenkt hatte.
Schließlich, als der vierte Tag des Monats Oktober anbrach, überquerten wir die steinerne Brücke über den Río Miño und ritten in Portomarin ein, dem Bollwerk meines Ordens, dessen Standarten und Banner auf allen wichtigen Gebäuden der Stadt wehten. Es war, als ob ich endlich wieder auf Rhodos wäre, dachte ich mit vor Freude geschwellter Brust. Mein Geist sehnte sich nach einer wohlverdienten Ruhepause innerhalb der Mauern dieser Festung, die wie keine andere meinem vertrauten Zuhause auf der Insel glich.
Wir wurden von vier dienenden Brüdern empfangen, die sich sofort um die schweigsame Sara und den entkräfteten Jonas kümmerten, während ich durch lange Korridore zum Prior des Hauses, Don Pero Nunes, geführt wurde, der meine Ankunft allem Anschein nach schon seit Tagen erwartete. Durch den fehlenden Schlaf fühlte ich mich schwindelig und vor Hunger fast ohnmächtig, doch die Unterredung, die mich erwartete, war wesentlich wichtiger als ein warmes Bett und ein köstliches Essen; ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß wenigstens für Sara und den Jungen die Strapazen der Reise ein Ende hatten und daß ich binnen kurzem wieder bei ihnen sein würde. Obwohl … für wie lange? fragte ich mich betrübt. Nun, wo alles vorbei war, müßte ich mich da nicht von der Zauberin und dem Jungen trennen?
An den Sims eines großen Kamins gelehnt, dessen Feuer den riesigen Saal übermäßig erhellte, erwartete mich Don Pero Nunes, Prior von Portomarin. Bei meinem Eintreten hob er den Kopf und warf mir einen durchdringenden Blick zu. Er war mit einem Nachthemd bekleidet – man hatte ihn wohl eiligst aus dem Bett geholt – und in einen langen, weißen Mantel aus grober Wolle gehüllt. Seine Augen, im Gegensatz zu meinen, funkelten vor Aufregung und Neugier.
»Bruder Galcerán de Born!« rief er aus und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Seine Stimme klang tief und kraftvoll, was zu seiner gepflegten Gestalt und den feinen Manieren nicht recht passen wollte, ja viel eher dafür geschaffen schien, an Bord einer Galeere schreiend Befehle zu erteilen, als in einem Priorat der Hospitaliter die religiöse Andacht zu leiten. Ich wußte nicht zu unterscheiden, ob der Duft des Parfums, das in meine Nase stieg, von den Stoffen und den Teppichen des Saals herrührte oder von Don Peros Nachthemd. »Bruder Galcerán de Born!« wiederholte er bewegt. »Wir waren über Euer mögliches Kommen unterrichtet. In allen Komtureien und
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