Iacobus
Camino de Santiago, den Evrard, möglicherweise verkleidet als kranker Pilger auf der Suche nach einem Wunder, bereisen sollte und auf dem ihn der Stier, der taurus , das heißt, das tau-aureus, beschützen würde.«
»Tau-aureus?«
»Das Tau, das griechische T«, erklärte ich, »oder besser gesagt, das Zeichen des Taukreuzes, oder noch genauer, das Zeichen oder das Symbol des aureus, des Goldes.«
Nun machte Evrards Imago Mundi auch plötzlich Sinn. Jenes Pergament, das leider in Saras Händen geblieben war, enthielt keine Zeichen von lebenswichtiger Bedeutung, um die Botschaft zu vervollständigen, wie ich dies anfangs vermutet hatte. In ihm waren ganz sicher keine tiefen Geheimnisse verborgen. Was darin allerdings sehr wohl zu entdecken war, groß und hervorgehoben, war der Schlüssel schlechthin: die in Form eines T, eines Tau unterteilte Erde. Das war das Zeichen! Nach dieser neuen Erkenntnis war die Hand, die jenes Imago Mundi gezeichnet und die hebräischen Daten und lateinischen Initialen aufgelistet hatte, offenkundig nicht die Evrards, sondern die Manrique de Mendozas gewesen, der seinem Waffenbruder die Fährte des Taukreuzes auf jede nur erdenkliche Art und Weise zukommen lassen wollte. Diese Kleinigkeit brachte jedoch auch noch Licht in etwas anderes: Selbst wenn es stimmte, daß Sara, wie behauptet, nicht lesen konnte, so hatte sie doch durchaus die Handschrift ihres geliebten Manrique zu erkennen vermocht. Deshalb wollte sie also gerade diese beiden Dokumente aufbewahren.
»Das Zeichen des Goldes!« sagte gerade Jonas. »Des Goldes der Templer!«
»Genau«, bekräftigte ich und nahm den Faden der Unterhaltung wieder auf. »Die Tempelherren mußten ihr aureus, oder zumindest einen Teil davon, längs des Jakobswegs verborgen haben, und Evrard, der die Verstecke wahrscheinlich kannte oder zumindest wußte, wie er sie finden konnte, war befugt, sich dieser Reichtümer zu bedienen, um in bester Verfassung nach Portugal zu gelangen. Zudem konnte er auf die Hilfe seiner Brüder zählen, die diese Schätze zweifellos bewachen, während es so aussieht, als ob sie sich aus allen alten Konflikten heraushalten, die ihrem Orden den Garaus machten, und wie einfache Ritter in der Nähe ihrer alten Schlösser, Festungen und Komtureien ohne Amt noch Pfründe leben.«
»Wenn das der Papst und der Großkomtur Eures Ordens erfahren!« rief Jonas mit glänzenden Augen aus.
Der, der nicht wußte, was ihn erwartete, sobald sie es erfuhren, war ich.
Eine gute Stunde lang lauschten Papst Johannes XXII. und der Großkomtur der Hospitaliter von Frankreich, Bruder Robert d'Arthus-Bertrand, Herzog von Soyecourt, höchst aufmerksam meiner Berichterstattung. Hin und wieder tauschten meine beiden Zuhörer eine Bemerkung untereinander aus, die ich nicht verstand, wie etwa, daß das bezichtigende Schreiben, der schlagkräftige Beweis, den der Papst von mir gefordert hatte, sofort zu vernichten wäre. Angesichts des von mir enthüllten Sachverhalts beschloß Johannes XXII., daß es unumgänglich war, die Genehmigung zur Gründung des neuen Kreuzritterordens zu erteilen, um die König Dinis von Portugal ersucht hatte.
Während des Monats, den ich für meine Ermittlungen benötigt hatte, hatten der Hospitaliterorden und das Papsttum ihre Beziehungen zueinander anscheinend vertieft. Nun waren beide vor allem am Gold der Templer interessiert. Ich vermute, daß meine Verblüffung und, mehr noch, meine offensichtliche, wenn auch im Zaum gehaltene Entrüstung angesichts einiger ihrer Fragen Bruder Robert dazu bewegten, mir eine knappe Erklärung dafür zu geben, was er, wenn ich nicht über solch heikle Dinge Bescheid gewußt hätte, sonst sicher nie getan hätte.
Eine der vom vorherigen Papst Clemens V. erlassenen Bullen während des Prozesses gegen die Tempelherren – die Bulle ›Ad Providam ‹ – hatte verfügt, daß der Orden vom Hospital des Heiligen Johannes von Jerusalem, als wichtigster Nutznießer der Templergüter nach der Auflösung des Ordens, zu Lasten der Einkünfte, die eben aus diesen Gütern stammten, hohe Pensionen an diejenigen ehemaligen Waffenbrüder und Würdenträger der Templer zahlen sollte, die sich, nachdem sie ihrem Templergelübde abgeschworen hatten, dazu entschlossen hatten, in den christlichen Reichen zu bleiben, in denen die Verfolgung und Vernichtung nicht auf so brutale Weise wie in Frankreich vollzogen worden war. Aus diesem Grund, so erläuterte mir Bruder Robert, ergebe sich nun gerade die
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