Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
Vom Netzwerk:
schrecklich müde, als ob der Gedanke, daß meine Mission erfüllt war, meinen Körper entspannt hätte und mich jetzt eine Müdigkeit übermannte, die sich während vieler, vieler Jahre angesammelt hatte … ein absurdes Gefühl, doch war dem so.
    Die Decken der Zauberin rochen nach Lavendel.
    Ende Juli verabschiedeten wir uns von Sara und Paris und machten uns in Ruhe auf den Rückweg nach Avignon. Von Jonas und mir war die ganze Anspannung gewichen, die sich während der zurückliegenden Wochen angestaut hatte, und unser Verhältnis war nun wieder gut und anregend: Wir hatten eine Wette abgeschlossen, wer von uns beiden zuerst das Rätsel um das vierte Pergament lösen würde – nur höchst widerwillig hatte Sara es uns zusammen mit der Abschrift von Evrards Schuldeingeständnis überlassen –, weshalb jeder für sich die mysteriöse Botschaft zu entschlüsseln suchte. Obschon ich eine ungefähre Ahnung davon hatte, wie das Rätsel zu lösen war, schenkte ich ihm nicht besonders viel Aufmerksamkeit, denn ich wollte die Wette nicht gewinnen, ohne dem Jungen Zeit gelassen zu haben, während der Reise so viel wie möglich Hebräisch zu lernen. Und seine Kampfeslust war so groß, daß er es schwindelerregend schnell lernte, um mich zu schlagen. Er hatte seinen Stolz, was mich freute. Letzten Endes, wiederholte ich mir ständig, ist er mein Sohn, und er wird immer mein einziger bleiben, da meine Gelübde keine weitere Nachkommenschaft zulassen. Im Laufe der letzten Tage war ich nach vielem Grübeln zu dem Schluß gekommen, daß er möglichst bald die Wahrheit über seine Herkunft erfahren sollte. Ich mußte es ihm noch vor unserer Rückkehr nach Barcelona gestehen und ihn dann entsprechend handeln lassen. Wenn er ins Kloster zurückkehren wollte, würde ich ihn natürlich nicht daran hindern, aber falls er dies nicht wünschte, wollte ich ihn in die Obhut meiner Verwandten in Taradell geben, damit sie ihn wie einen De Born auf dem Stammsitz der Familie erzögen. Eines Tages wollte ich auf meinen Sohn stolz sein. Was die Mendoza betraf … so war es wohl besser, nicht mehr an sie zu denken.
    In Lyon schlugen wir eine andere Route als auf der Hinreise ein, um nicht durch Roquemaure reiten zu müssen. Der unglückliche François konnte für uns gefährlich werden, wenn wir ihm wiederbegegnen würden, so daß wir über Vienne durch die Dauphiné in die Provence ritten und uns dann von Osten her der Grafschaft Venaissin und Avignon näherten.
    Einen Tag nachdem wir Vienne hinter uns gelassen hatten, löste Jonas bei Einbruch der Abenddämmerung das Rätsel:
    »Ich habs, ich habs!«
    Ich war in jenem Augenblick abgelenkt, weil ich den Himmel betrachtete, wo sich vor dem Orion ein wunderbarer Sonnenuntergang abzeichnete, und achtete nicht auf das, was er sagte.
    »Ich habs gelöst, ich hab's gelöst!« schrie er, entrüstet über meine Gleichgültigkeit. »Ich habe die Botschaft entschlüsselt!«
    So wie ich vermutet hatte, handelte es sich eigentlich nur um einen einfachen Austausch von Alphabeten. Ruhig zog ich Brot und Käse für unser Abendmahl aus den Satteltaschen.
    »Seht, Sire«, begann er mir zu erklären, »derjenige, welcher die Botschaft schrieb, tauschte nur einige Buchstaben gegen andere aus, achtete aber darauf, deren Gleichwertigkeit zu bewahren. Was uns so lange Zeit verwirrt hat, war möglicherweise die Aussprache. Wenn wir die Nachricht nicht auf hebräisch lesen, sondern ihre gleichbedeutenden lateinischen Lettern verwenden, was lesen wir dann?«
    » Pi'hefeér bai-codí  …«, buchstabierte ich mühselig, was ich auf dem Pergament las.
    »Nein, nein. In Latein, Sire, in Latein.«
    »Das kann man nicht auf lateinisch lesen!« protestierte ich, während ich einen in Wein getunkten Brotkrumen hinunterschluckte.
    Jonas lächelte zufrieden. Stolz schwellte seine Brust.
    »Nicht, wenn man wie Ihr Hebräisch beherrscht. Eure Sprachkenntnisse machen Euch blind und taub, Sire. Wenn Ihr allerdings alles vergeßt, was Ihr wißt, wenn Ihr Euch auf das Niveau eines Schülers wie mich begebt, dann seht Ihr es sehr deutlich. Beachtet, daß der erste Buchstabe einem feh entspricht.«
    »… dessen richtige Aussprache vor dem Vokal qibbuts , wenn ich mich nicht irre, pi oder pu wäre«, deutete ich an, um ihn zu ärgern.
    »Ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt alles vergessen, was Ihr wißt! Möglich, daß es auf hebräisch pi oder pu heißt, auf lateinisch klingt es jedenfalls wie fu .«
    »Wie das?« bohrte ich

Weitere Kostenlose Bücher