Iacobus
Widersinnigkeit, daß man Hunderten von ehemaligen Templern für den Rest ihres Lebens große Summen zahlen mußte, während weder der Hospitaliterorden noch die Kirche noch die Königreiche den gesamten Anteil des Templerschatzes erhalten hätten, der ihnen zustünde, da der Großteil der Reichtümer, die ganze bewegliche Habe, spurlos verschwunden wäre.
Angesichts dieser Situation würde Papst Johannes XXII. ernsthaft darüber nachdenken, eine neue Bulle zu erlassen, die jene von Clemens V. aufhob, vorausgesetzt, die Kirche erhielte im Tausch dafür eine hinreichend große Menge an Gütern, um besagte Gefälligkeit aufzuwiegen. Aus diesem Grunde war es von immenser Bedeutung, das Gold der Templer zu finden, eben jenes Gold, das laut meines Berichts teilweise entlang dem Jakobsweg versteckt sein mußte.
Nie, nicht einmal in meinen schlimmsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, auf so habgierige Männer in so heiligen und wichtigen Ämtern zu stoßen. In ihren Augen glitzerte die Habsucht, die Begierde, sowohl das Papsttum als auch leider den Orden des Hospitals vom Heiligen Johannes zu bereichern (der nach dem Untergang der Tempelherren sowieso schon der mächtigste Ritterorden Europas war). Das war nicht die Art, wie ich das Ideal des Dienstes am Nächsten begriff, den Geist des Edelmuts, den Trost der Kranken. Offen gestanden war ich nach meiner Reise inzwischen sehr wohl im Bilde über den Ruf eines Halsabschneiders und Geizhalses, den Johannes XXII. sich erworben hatte, diesem Mann, der unzählige Bankiers, Händler und Geldwechsler nach Avignon gelockt hatte; der sich mit einem Hofstaat umgab, der prunkvoller und vermögender war als der jedes anderen Monarchen der Welt; ein Pontifex, der Bullen gegen Bezahlung erließ und der, wie ich gehört hatte, Kruzifixe gestattete, auf denen der Gottessohn nur mit einer Hand ans Kreuz genagelt war, da die andere in einem Beutel mit Münzen steckte. Eigentlich wollte ich solchen Gerüchten kein Gehör schenken, aber der goldene Schimmer, den ich nun in seinen zu schmalen Schlitzen verengten Augen bemerkte, ließ mich argwöhnen, daß man ihnen durchaus Glauben schenken konnte. Zu meinem Leidwesen konnte man dasselbe auch vom französischen Großkomtur des Hospitaliterordens behaupten, und eine Sekunde lang ließ mich meine Bestürzung darüber sogar ernsthaft erwägen, dem Seneschall von Rhodos zu schreiben und ihm alles zu schildern, was ich gehört und gesehen hatte, indessen erinnerte ich mich gerade noch rechtzeitig daran, daß es der Seneschall höchstpersönlich gewesen war, der mich dem unmittelbaren Befehl dieses niederträchtigen Mannes unterstellt hatte, weshalb mein Handlungsspielraum äußerst beschränkt war. Ich hatte keine andere Wahl als zu schweigen. Zu schweigen und zu gehorchen und mich mit dem Gedanken zu trösten, daß ich bald nach Rhodos zurückkehren würde und nicht weiter meinen Ruf in jenem demütigenden Umfeld schädigen müßte.
Man befahl mir, mich einen Augenblick in einen angrenzenden Saal zurückzuziehen, während Bruder Robert und Seine Heiligkeit sich über das austauschen wollten, was ich ihnen erzählt hatte. Sie müßten einige Entscheidungen treffen, erklärten sie mir, und würden mich in wenigen Minuten wieder hereinbitten. Während ich draußen wartete, wurde mir plötzlich bewußt, wie wichtig es war, mich persönlich um die Erziehung meines Sohnes zu kümmern: Um nichts auf der Welt wollte ich, daß Jonas Gefahr liefe, so verdorben und ehrgeizig zu werden wie diejenigen, die ich in letzter Zeit in den Zentren der Macht gesehen hatte. Ich wollte, daß sein einziges Streben der Bildung galt, weshalb ich ihn unbedingt nach Rhodos mitnehmen sollte, um ihn dort den besten Lehrmeistern meines Ordens anzuvertrauen und aus nächster Nähe seine Fortschritte beobachten zu können. Ich mußte ihn jener Welt von Verrückten entziehen, in die sich die Christenheit verwandelt hatte. Er war aus bestem Holz geschnitzt; aber was würde geschehen, wenn er seine Schritte in die falsche Richtung lenkte? Ich mußte ihn mit nach Rhodos nehmen, da galt keine Ausrede.
Diesen bedrückenden Gedanken hing ich gerade nach, als ich wieder vor dem Pontifex zu erscheinen hatte.
»Bruder Galcerán, wir und Euer Großkomtur«, begann der Heilige Vater sanft und zeigte dabei sein schönstes Lächeln, »haben beschlossen, daß Ihr eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela unternehmen werdet.«
Ich war stumm vor Staunen.
»Wir wissen schon,
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