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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Siebensachen zusammenpackte und wir wortlos zu den Ställen hinausgingen. In jener Nacht übernachteten wir in Logroño, und am darauffolgenden Tag brachen wir in Richtung Nájera und Santo Domingo de la Calzada auf. Wind und Regen verdarben auch weiterhin unsere Laune, erschwerten unser Vorankommen und ermüdeten die Tiere über alle Maßen, die sich unruhig den Befehlen der Zügel widersetzten. Wenn es ein Naturphänomen gibt, das die Gemüter in Unruhe versetzt, so ist dies der Wind. Warum das so ist, ist schwerverständlich, doch so wie die Sonne den Geist belebt und der Regen uns traurig werden läßt, so beunruhigt der Wind den Menschen und bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Ich selbst war voller Argwohn und ziemlich gereizt, doch gab es in meinem Fall auch noch einen anderen, gewichtigen Grund dafür. Als ich in Logroño bei Tagesanbruch aufgewacht war, hatte ich direkt neben meinem Gesicht eine Nachricht vorgefunden, die mit einem Dolch aufgespießt auf meinem Strohsack steckte und folgendermaßen lautete: »Beatus vir timet dominum . Wohl dem, der den Herrn fürchtet.« Genau, wie ich es mir vorgestellt hatte, verlor Graf Joffroi de Le Mans allmählich die Geduld und forderte Ergebnisse ein. Aber was konnte ich sonst tun? Schnell verbarg ich den Dolch zwischen meinen Kleidern und zerriß den Brief in kleine Stücke, bevor ich sie auf den Boden warf und mit dem Fuß verteilte. Zu wissen, daß der Papst uns keinen Schaden zufügen würde, solange wir das Gold nicht gefunden hatten, erleichterte mein Herz nur wenig.
    Bei bedecktem Himmel durchquerten wir die weite Flußaue des Ebros, eine Landschaft aus Weinbergen und Äckern, die im Süden von den verschneiten Gipfeln der Sierra de la Demanda begrenzt wurde. Nach einer steilen Böschung stießen wir auf Navarrete, eine wohlhabende Stadt von Kunsthandwerkern, die über sehr gute Hospize für die Pilger verfügte. Wir folgten dem Jakobsweg durch ihre Gassen und bewunderten die zahlreichen, mit Wappen geschmückten Häuser und Paläste rechts und links des Weges. Die Einwohner, so umgänglich wie nur wenige, begrüßten uns höflich und zuvorkommend.
    Am Ortsausgang von Navarrete kreuzte die Schlammspur unserer Pilgerroute den Weg nach Ventosa und stieg inmitten von Wäldern bis zur Anhöhe von San Antón sanft an, wo es erneut zu regnen begann.
    »Diese Gegend ist ziemlich unsicher«, bemerkte Niemand und blickte sich mißtrauisch um. »Leider wird man häufig von Banditen überfallen. Wir sollten uns beeilen und zusehen, daß wir so rasch wie möglich von hier fortkommen.«
    Jonas' Gesicht erhellte sich plötzlich.
    »Gibt es in der Umgebung wirklich Banditen?«
    »Und sehr gefährliche dazu, mein Junge. Mehr als uns lieb sind. Deshalb halt dein Pferd zum Galopp an und schnell weg von hier!« rief Niemand aus, gab seinem Tier die Sporen und stürmte den Hügel hinab.
    Kurz bevor wir nach Nájera kamen, umrundete der Pilgerweg einen kleinen Hügel an seinem nördlichen Abhang.
    »Dies hier ist der Poyo de Roldan«, erklärte Niemand und schaute Jonas an. »Kennst du die Geschichte vom Riesen Ferragut?«
    »Noch nie im Leben habe ich davon gehört.«
    »Im vierten Buch des ›Codex Calixtinus‹«, deutete ich mit einem gewissen Neid auf den Alten an, der vom Jakobsweg alles zu wissen schien, »ist die ›Chronik des Turbin‹, des Erzbischofs von Reims, aufgenommen, der die Heldentaten von Karl dem Großen in diesen Gefilden beschreibt, und dort findet man auch den Kampf zwischen Roland und Ferragut zusammengefaßt.«
    »So ist es, genau«, stimmte Niemand zu und nickte mit dem Kopf. »Turbin berichtet, daß in Nájera, der Stadt, die du vor dir liegen siehst, ein Riese aus Goliaths Geschlecht namens Ferragut lebte, der gemeinsam mit zwanzigtausend Omaijaden aus Syrien gekommen war, um auf Befehl des Emirs von Babylon gegen Karl den Großen zu kämpfen. Ferragut fürchtete weder Lanzen noch Pfeile und besaß die Kraft von vierzig Bären. Er war fast zwölf Ellen groß, sein Gesicht fast eine Elle breit, und seine Nase maß eine Spanne, Arme und Beine vier Ellen und die Finger drei Spannen.« Niemand führte seine winzigen, schwieligen Hände als Beispiel für die Finger des Riesen vor. »Als Karl der Große von ihm erfuhr, eilte er sofort nach Nájera. Kaum hatte Ferragut seine Ankunft vernommen, verließ er die Stadt und forderte den König zum Einzelkampf heraus. Karl der Große schickte seine besten Paladine vor: an erster Stelle Ogier den Dänen. Als er ihn

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